Halbjahresbericht: Vonovia profitiert trotz Inflation von steigenden Mieten und Nebenkosten

|Update 4.8.2022| Trotz hoher Belastungen der Mieterschaft durch Inflation und Energiekreise profitiert die Vonovia auch weiter kräftig von steigenden Mieten und Nebenkostenabrechnungen. Laut dem am 3. August veröffentlichten Halbjahresbericht des Konzerns liegen die Mietsteigerungen und die Ergebnisse des Vermietungsgeschäfts auf dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Die Inflation wirkt sich auf die grundmietenrelevanten laufenden Kosten der Vonovia kaum aus. Als vermieterbeherrschter Energieversorger macht die Vonovia auch Gewinne mit den Strom- und Heizkostenabrechnungen. Ihre Einkaufspreise für Strom und Gas legt sie nicht offen. Um steigenden Zinsen zu begegnen, plant sie umfangreiche Verkäufe.

„Die Vonovia hat in den letzten Jahren wirklich genug von den MieterInnen profitiert“, meint Knut Unger von der Plattform kritischere Immobilien-Aktionär*innen. „Wenn man Konzern-Chef Buch seine anegblichen Sorgen um die Mieter abnehmen soll, dann muss er seine Preistreiberei jetzt sofort einstellen. Es darf vorläufig keine Mieterhöhungen geben. Voraussetzung dafür, dass höhere Zahlungen für Strom und Zentralheizung verlangt werden, sollte die vollständige Offenlegung der tatsächlichen Kosten sein.“

Wie der Halbjahresbericht zeigt, stiegen trotz anhaltender Mieterhöhungen die operativen Kennziffern der Vonovia (ohne Deutsche Wohnen) im ersten Halbjahr nicht wie gewohnt in allen Segmenten an. Die Steigerung der Gewinnziffer Group FFO pro Aktie basierte allein auf der größeren Anzahl der Wohnungen nach Übernahme der Deutsche Wohnen. Da der FFO der Berechnung der Dividende zu Grund gelegt wird, ist  mit einer erhöhten Gewinnausschüttung im Jahr 2023 zu rechnen. Aufgrund der Lage auf den Kapitalmärkten scheidet die bislang gewohnte Expansion als Deckung der Dividendensteigerung aus. Das Vonovia-Management will zur „Binnenfinanzierung“ mittels massiver Immobilienverkäufe und Joint Ventures übergehen. Mehr denn je droht die Vonovia ihre Gewinne auf Kosten der MieterInnen und nunmehr auch der Substanz zu erzielen.

Die Grundmietenerhöhungen erfolgen nicht wegen der Inflation

Die Mietsteigerung der Vonovia im Wohnungsbestand ohne Modernisierungen betrug in den letzten zwölf Monaten 1 %, also etwas mehr als in den zwöf Monaten davor (0,9%). Es ist immer noch sehr viel weniger als die aktuelle Inflationsrate, aber viel mehr als jede denkbare reale Entwicklung der Bewirtschaftungskosten. Relevant sind hier im Wesentlichen nur die Instandhaltungskosten. Würde man die die aktuelle Inflationsrate  auf die Instandhaltunsgkosten anwenden, würde ihr Verhältnis zu den Mieteinnahmen nur im Promillebereich steigen. Die Behauptungen von Rolf Buch aus dem letzten Juni, die Mieten müssten aus wirtschaftlichen Gründen auf Inflationsniveau angehoben werden, sind also sehr weit hergeholt. Inflation und Inflationsangst lassen sich aber für die Durchsetzung noch stärkerer Mieterhöhungen zu nutzen.

Die Vonovia nutzt die Erhöhungsspielräume der Mietspiegel in der Regel konsequent. Laut aktueller Analysten-Präsentation rechnet sie mit einer Welle erhöhter Mietspiegel. Positiv für sie könnte sich auswirken, dass qualifizierte Mietspiegel auch nach der letzten Reform einmalig um den Lebenshaltungskostenindex fortgeschrieben werden können. Kommunen, die deratiges planen, können MieterInnen allerdings entgegen gehalten, dass die ortsüblichen Vergleichsmieten nicht im gleichen Ausmaß gestiegen sind. Index-fortgeschriebene Meitspiegel könnten in der Praxis angreifbar werden.

Will die Vonovia Mieten um den Lebenshaltungskosten erhöhen, besteht ihre einzige rechtliche Möglichkeit darin, bei Neuabschluss von Mietverträgen Indexklauseln zu vereinbaren. Dies lohnt sich für sie aber nur bei solchen Wohnungen, die bereits modernisiert sind, da die Indexverträge Mieterhöhungen durch Modernsierungen weitgehend ausschließen. Die Vonovia hat das Potenzial für Indexverträge bereits vor Monaten ermittelt. Würde sie zu diesem Instrument greifen, wäre das nichts als eine extreme Bereicherung unter Berfung auf die Inflation. „Bislang hat Buch keinen Verzicht auf Indexklauseln erklärt“, sagt Knut Unger. „Da generell ein Missbrauch durch die Vermieter nicht auszuschließen ist, muss der Gesetzgeber die Möglichkeit der Indexklausel schleunigst abschaffen.“

Zu erheblichen Auswirkungen der Inflation auf die Bewirtschaftungskosten kommt es allerdings im Neubau und bei der Modernisierung. In der Konsequenz will die Vonovia den Neubau von Mietwohnen für den eigenen Bestand stark reduzieren, also sich noch weniger an der Lösung der Versorgungskrise beteiligen. Bei der Modernisierung will sie Investitionen in der bisherigen Größenordnung beibehalten. Hier profitiert die Vonovia unabhängig von den Baupreisen weiterhin von der Möglichkeit, 8 % der Kosten pro Jahr auf die Mieten umzulegen. Die Verzinsung des eingesetzten Kapitals ändert sich durch Kostensteigerungen nicht. Unterhalb der Mieterhöhungsdeckel von 2 €/qm  oder 3 €/qm lassen sich allerdings bei steigenden Preisen nur noch kleinere Maßnahmen mieterhöhungswirksam umsetzen. Umfassende Fassadendämmungen gehören woh kaum dazu, Erneuerungen der Heizkessel schon. Aber was machen neue Gaskessel jetzt noch für einen Sinn?

Insichgeschäfte belasten MieterInnen

Auswirkugen hatten die steigenden Kosten auch im Bereich „Value Add“, also den konzerninternen Abrechnungen von Nebenkosten- und Handwerkerleistungen. Die Ergebnisse gingen trotz deutlicher Ausweitung der Umsätze leicht zurück, betrugen in den ersten sechs Monaten aber immer noch 78,5 Mio. Euro.

Nach einer Grafik in der Anlystenpräsentation ist knapp ein Drittel dieser Gewinne auf Nebenkostenabrechnungen zurückzuführen. Den größten Gewinnbeitrag leisten neben den Aufschlägen auf die Kosten der Gartenpflege und Reinigung die Kabelgebühren, für die offenbar viel geringere Kosten anfallen als von den Mietern kassiert wird. Relevant sind aber auch die Gewinne aus dem Bereich „Smart Metering“, das heißt aus intern vereinnahmten Abrechnungsgebühren und aus der Vermietung von Verbrauchserfassungsgeräten des Konzerns an sich selbst. Auch mit dem Geschäft des eigenen Energieunternahmen scheinen deutliche Gewinne erzielt zu werden. Hier wird zum Beispiel Erdgas für die Zentralheizungen günstig eingekauft, den Mietern aber zu Endverbraucherpreisen in die Heizkostenabrechnungen geschrieben.

Die Vonovia nennt all das „Einsparungen“. Der allergrößte Teil der „Einsparungen“ enfällt auf Handwerkerdienste. Hierzu zählen mindestens Reparaturarbeiten, als Modernisierungen abgerechnete Bauereneuerungen und Wartungen. Auf die MieterInnen umgelegt werden zumindest die Gewinne aus den beiden letzteren. Es kann vermutet werden, dass mehr als zwei Drittel der Überschüsse der Insichgeschäften auf Mieterhöhungs- und Nebenkosten-Abrechnungen beruhen. Die Vonovia will dieses Geschäft weiter ausbauen.

„Auch hier sind dringend Klarstellungen des Gesetzgebers erforderlich“, fordert Unger. „Würden die von diesem mächtigen Konzern auf den Märkten erzielbaren Einsparungen an die MieterInnen weiter gegeben, könnten die Wohnkostenbelastungen merklich geringer sein.“

Das Ende der Expansionsparty

Zu geringe Mieterhöhungen oder steigende laufenden Kosten müssen der Vonovia keine Sorgen bereiten. Die Probleme  bestehen in den stark gesunkenen Börsenkursen und den erwarteten Zinssteigerungen. An weiteren Zukäufen ist unter diesen Bedingungen nicht zu denken. Bis 2025 steht die Ablösung von Krediten im Umfang von 13 Mrd. Euro an. Just in dieser Höhe will die Vonovia laut Ankündigungen in ihrer Analystenpräsentation Immobilien veräußern. „Binnenfinanzierung“  nennt der Konzern diese Gegenstrategie zu den hohen Zinsbelastungen.

Die geplanten Verkäufen machen über 13 % der jetzigen Verkehrswerte aus. Nach Presseberichten soll es Verkaufspläne in Schweden und in Baden-Württemberg geben. „Wenn die Vonovia an andere Finanzinvestoren verkauft, droht eine Abwärtsspirale für die Wohnungen und ihre MieterInnen“, befürchtet Unger. „Der Gesetzgeber muss Wohnungstransaktionen endlich stärker regulieren und dafür sorgen, dass möglichst viele Wohnungen unter gemeinwirtschaftliche Kontrolle kommen.“ Dabei dürfe man allerdings nicht in die Falle laufen, die spekulativen Immobilien-Bewertungen der Vonovia auch noch auf Kosten des Steuerzahlers zu stützen. „Deshalb ist es so wichtig, dass mit der Enteignungsdebatte in Berlin Bewegung in die Frage der Entschädigungsbewertung kommt.“

Mieterorganisierung jetzt noch wichtiger

Auch die Vonovia-MieterInnen selbst können dazu beitragen, dass der Konzern nicht wieder auf ihre Kosten von dieser Krise proftiert. „Niemand sollte ungeprüft eine Mieterhöhung akzeptieren, schon gar nicht nach einer intransparent abgerechneten Modernisierung. Und wenn die Vonovia ihre tatsächlichen Zahlungen für die Energiekosten nicht offen legt, haben die MieterInnen einen guten Grund, Nachforderungen und laufende Vorauszahlungen zurückzubehalten.“