Vonovia: Mieterhöhungsdynamo läuft auf Hochtouren
<Update> Die Vonovia hat heute ihren 9‑Monatsbericht veröffentlicht. Nach Jahren der Finanzkrise, der Abwertungen und der Verkäufe attestiert sie sich eine hohe Wachstumsdynamik. Was dank Wohnungsnot und unzureichendem Mieterschutz auf jeden Fall immer schneller läuft, ist der Mieterhöhungsdynamo.
Haupttreiber der operativen Ergebnisse sind wieder die Mieten. In den ersten 9 Monaten 2025 erzielte die Vonovia in Deutschland Mieteinnahmen in Höhe von 2,1 Mrd. Euro. Das ist es etwas mehr als im Vorjahreszeitraum, und zwar trotz des Rückgangs des Wohnungsbestandes. Wie der Vonovia-Finanzmanager Philip Grosse bei der Präsentation der Ergebnisse vor Analysten betonte, haben die Mietsteigerungen den Verlust an Wohnungen überkompensiert.
Die (um Portfolioveränderungen bereinigten) „organischen Mietsteigerungen“ pro Quadratmeter lagen bei 4,2 Prozent. Die maßgeblichen „marktbedingten Mietsteigerungen“ (Mieterhöhungen und Neuvertragsmieten ohne Modernisierung) lagen ebenfalls bei 4,2 Prozent. Das stellt eine bisheriges Allzeithoch dar.
Die Mietsteigerungen nach Modernisierungen betrugen dagegen lediglich 1 Prozent und lagen damit unter der Quote Ende September 2024. Mehr denn je beruhte der wirtschaftliche Erfolg der Vonovia auf Mieterhöhungen ohne Investitionen.
Beschleunigte Mietsteigerungen erwartet
Für die Zukunft erwartet die Vonovia eine beschleunigte Steigerung der Mieten. Der Unterschied zwischen den Markt- und den Bestandsmieten erlaube auch auf längere Sicht jedes Jahr neue Mieterhöhungen.
„Wir erwarten Mietsteigerungen für vlele Jahre“, sagte der scheidende Vonovia-Chef Rolf Buch bei der Analysten-Präsentation. Das sei gut prognostizierbar. Die Umsetzung der Mieterhöhungen sei nur vorübergehend durch die Kappungsgrenzen beschränkt. Für das Jahr 2028 rechnet der Konzern bereits mit 5 Prozent organische Mietsteigerungen.
Wie der Konzern betont, ist für die Wohnungsmangel in den Wachstumsregionen der treibende Faktor ihres Geschäftsmodells. Die Vonovia richtet ihre Strategie systematisch auf diese Regionen aus. „Wir konzentrieren uns auf Standorte mit einem hohen Nachfrageüberhang“, sagte Buch. „Deshalb ist die Erschwinglichkeit der Wohnungen kein Problem für uns.“
Wegen des bestehenden Mietrechts mit ihren Kappungsgrenzen und der Mietpreisbremse sei die Bezahlbarkeit auch kein Problem für die Mieter in bestehenden Mietverhältnissen. Die Einkommen würden schneller wachsen als diese Mieten. Ein Problem seien aber hohe Angebotsmieten. Neuvertragsmieten in Höhe von 20 Euro pro Quadratmeter, wie sie teilweise in Berlin verlangt würden, seien für viele Menschen untragbar. Da würden nur mehr Angebote weiterhelfen.
Buch fordert weniger Schutz vor Mieterhöhungen
Buch begrüßte den vereinfachten Gebäudetyp E und den „Bauturbo“. Immerhin besitzt die Vonovia viele Grundstücke, die nun eventuell stärker verdichtet werden können als bisher erlaubt. Und für neue Baugebiete ist nicht mal mehr ein Bebauungsplan erforderlich.
Diese Erleichterungen für die Immobilienwirtschaft reichen nach Meinung von Buch aber nicht aus, um die erforderlichen Wohnungen zu bauen. Damit sich bauen lohne, müsste auch das Mietrecht angepasst werden. Erneut stellte Buch Mietpreisbremse und Kappungsgrenzen in Frage.
Sanierungsobjekte abgestoßen
Die Konzentration der Vonovia auf Wohnungsnot-Regionen bedeutet auch, dass sie sich aus anderen Gebieten eher zurückzieht. Im Berichtszeitraum wurden 7.485 Immobilieneinheiten verkauft, die zuvor zu „Non Core“-Immobilien erklärt wurden. Das sind Häuser, die für die Vonovia nicht zum längerfristigen „strategischen Portfolio“ zählen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wurde die Anzahl dieser Verkäufe fast verdoppelt. Aktuell sieht die Vonovia weitere 11.309 Einheiten als „nicht strategisch“ an.
Die Vonovia stößt nach Beobachtungen von Mieterorganisationen häufig Objekte mit einem hohen Instandsetzungs- und energetischen Erneuerungsbedarf ab. Das senkt die Kosten und verbessert den durchschnittlichen Wert der verbleibenden Immobilien. Die Kosten für die Erneuerung werden auf die Erwerber abgewälzt, wenn diese denn überhaupt Erneuerungen planen. Es wurde beobachtet, dass sich die Qualität der Verwaltung und die Wohnsicherheit der MieterInnen nach den Verkäufen noch weiter verschlechtern.
Einzelverkäufe bringen wieder Geld
Die Zahl der Verkäufe im Zuge der Einzelprivatisierung („Recurring Sales“) stieg im Berichtszeitraum nur ganz leicht. Trotzdem wuchs der operative Überschuss aus diesem Geschäftssegment um 45,5 Prozent. Es werden bei den Einzelverkäufen wieder höhere Gewinne gemacht. Buch sieht darin eine Normalisierung. Nach der Absatzkrise der letzten Jahre erziele man bei der Einzelprivatisierung jetzt wieder deutlich höhere Gewinnmargen als beim Verkauf größerer Pakete.
Zusätzlich zu diesen kleineren Verkäufen brachten mehrere Großdeals Liquidität für die Senkung des Verschuldungsgrades. Wesentliche Schritte in diesem Zusammenhang waren der Verkauf von 4.500 Wohnungen an landeseigene Wohnungsunternehmen in Berlin und die Veräußerung zahlreicher Pflegeimmobilien, die die Vonovia mit der Deutschen Wohnen übernommen hatte. Außerdem wurde der Finanzinvestor Apollo mit einem Anteil von 20 Prozent an der übernommenen Deutsche Wohnen beteiligt, was die Gewinne der Vonovia langfristig schmälert und den Renditedruck noch erhöht. Buch sieht auch diese „Joint Ventures“ als Teil des Weges zu einer „Vonovia 2.0“, bei der die Vermietung des eigenen Grundbesitzes nur noch Teil des Geschäftsmodells ist.
Der Neubau war gegenüber dem Vorjahreszeitraum rückläufig und erfolgte ganz überwiegend für den Verkauf an Dritte. Man habe nun alles verkauft, was in der Pipeline gewesen sei, sagte Buch. Die Fertigstellungszahlen würden sich in Zukunft stabilisieren.
Mehr Insichgeschäfte
Neben beschleunigten Mieterhöhungen und lukrativen Verkäufen sind die „Value Add“ genannten Zusatzgeschäfte des Konzerns die dritte Säule der angestrebten „Vonovia 2.0“.
Unterschieden wird zwischen Umsätzen, die durch Leistungen an Dritte erzielt werden, zum Beispiel Privatstromkunden, und Umsätzen, die innerhalb des Konzerns verrechnet werden. Hierbei handelt es sich um Leistungen, die zu günstigen Preisen von Tochterunternehmen erbracht, von der Vonovia dann aber mit Aufschlägen an Mieter und Kunden weitergegeben werden. Dazu gehören zum Beispiel als Betriebskosten abgerechnete Eigenleistungen für „Objektbetreuer“, Gartenpflege, Gas und Wärme. Quantitativ bedeutender sind die Eigenleistungen der angestellten Handwerker oder beauftragten Subunternehmen bei Modernisierungs- und Neubaumaßnahmen. Hier werden die Gewinne durch Modernisierungs-Mieterhöhungen oder höhere Immobilienpreise realisiert.
Zwar kam es in den ersten neun Monaten nur zu einer leichten Steigerung des operativen Gewinns aus dem Value-Add-Segment. Diese sind aber in viel höheren Maßen als im Vorjahr auf konzerninterne Insichgeschäft zurückzuführen. Im Vorjahr war ein Einmalgewinn aus der Verpachtung des Kabelnetzes erzielt worden. Dieses kam nach einer Änderung des Mietrechts für die konzerninterne Gewinnsteigerung über die Betriebskostenabrechnungen nicht mehr in Frage. Aktuell beträgt der Anteil der Insichgeschäfte an „Value Add“ etwa 90 Prozent.
Der Umsatz der konzerninternen Geschäfte stieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 15,3 Prozent. Nach Vonovia-Angaben soll dies zum einen auf die Zunahme der Modernisierungsmaßnahmen und Instandhaltungen zurückzuführen sein, die zu einem erheblichen Teil über Tochterunternehmen abgerechnet werden. Zum anderen ist aber auch die „Insourcing-Quote“ gestiegen. Mehr Leistungen als bisher wurden von Tochterunternehmen erbracht.
Tatsächlich stiegen die angegebenen Ausgaben für die Modernisierungen um 44 Prozent. Allerdings war das Vorjahresniveau sehr niedrig. Aufwendungen und Investitionen für die Instandhaltung wurden um 7,9 Prozent erhöht. Es handelt sich erfahrungsgemäß meist um Begleitkosten der Modernisierung.
Wieder auf Aufwertungskurs
Wesentlich für das Geschäftsergebnis sind neben den operativen Ergebnissen die vorgenommenen bilanziellen Aufwertungen des Zeitwertes des Immobilienbestandes. Nach starken Abwertungen in den Vorjahren kam es um Oktober zu einer fiktionalen Aufwertung um 516 Millionen Euro. Darin drücken sich Erwartungen auf zukünftige Mietsteigerungen aber auch auf relativ stabile Zinsen und Kosten aus. Für den Geschäftsbericht 2025 werden noch deutlich höhere Aufwertungen erwartet.
Das Management sieht die Vonovia auf Entschuldungskurs. Dazu hat die durch Verkäufe und Joint Ventures gesteigerte Liquidität ebenso beigetragen wie der Stopp des bilanziellen Werteverfalls. Der Konzern nutzt Spielträume für die frühzeitige Ablösung teurer Anleihen. Neue Anleihen werden global beworben. Erstmals wurde eine Anleihe in australischem Dollar aufgelegt.
Zur Höhe der Dividendenausschüttung für das Geschäftsjahr 2025 wollte sich der Vonovia-Vorstand noch nicht äußern. Es würden die Berechnungsgrundlagen des Vorjahres weiter gelten.
Seine Selbstvermarktung als größter und innovativster europäischer Immobilienkonzern stützt das Management mit einer starken Hervorhebung von Alleinstellungsmerkmalen, eine Strategie, die sich bis auf die Entwicklung konzerneigner Kennziffern erstreckt. Diesmal ist es eine neue Kennziffer zum Verschulungsgrad. Außerdem vergleicht sich der Konzern seine Kennziffern offensiv mit denen der Konkurrenz. Offensichtlich wird um zusätzliches Kapital gerungen
Updates geplant.
