Vonovia-Geschäftsbericht 2021: Die „Lösung“ bekommt Probleme

|Update 20.3.22| „Wir sind Teil der Lösung “, behauptet die Vonovia im Titel ihres am 18, März veröffentlichten Geschäftsberichts 2021. Es sei „das erfolgreichste Jahr unserer Unternehmensgeschichte“ gewesen, verkündete Vonovia-Boss Rolf Buch bei der Präsentation. Der wirtschaftliche Erfolg sei Basis für die Übernahme von Zukunftsverantwortung für die Wohnungsversorgung und den Klimaschutz. Die Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen sieht das anders. Das auf aggressives Wachstum und effiziente Mietenabschöpfung zu Gunsten der Finanzanleger ausgerichtete Geschäftsmodell ist und bleibt ein großes Problem für die soziale und ökologische Wohnungsversorgung. Die hohe Gewinnausschüttung  – vom Vorstand vorgeschlagen werden 1,3 Mrd Euro – ist weniger gerechtfertigt als jemals zuvor.

Verwendung der Mieteinnahmen Vonovia 21

Die teure Übernahme der Deutsche Wohnen im letzten Jahr hinterlässt im aktuellen Geschäftsbericht der Vonovia tiefe Spuren. Zwar ist die Kennzahl der Vonovia für ihren operativen Gewinn, der „Group FFO“ um 24 Pozent gestiegen, dieses Ergebnis muss aber auf 29 Prozent mehr Aktien verteilt werden. Zum ersten Mal in der Geschichte der Vonovia sinkt daher der Group FFO pro Aktie. Trotzdem will der Vonovia-Vorstand pro Aktie eine um 5 Prozent höhere Dividende ausschütten. Das wäre allenfalls gerechtfertigt, wenn die Gewinne nach der bis Ende des Jahres geplanten Integration der Deutsche Wohnen sehr bald auch ohne Zukäufe stark steigen. Und das ginge nur zu Lasten der Mietenden, der Belegschaft  und der Zulieferer oder der SteuerzahlerInnen.

Die Nettoverschuldung der Vonovia stieg von 23,3 Mrd. auf 45,2 Mrd. Euro. Ende 2020 war jede Vonovia+DW-Wohnung im Schnitt mit 16 Tsd. Euro Schulden belastet, Ende 2021 waren es schon 29 Tsd. Euro pro Wohnung. Der Verschuldungsgrad (LTV) des Konzerns ist gegnüber dem Vorjahr von 39,4  auf 45,8 Prozent gestiegen, – und das, obwohl der Buchwert der Immobilien in einem nie gekannten Umfang hochgeschrieben wurde.

Um 7,8 Mrd. Euro wurde der Verkehrswert der neuen und alten Vonovia-Immobilien im Laufe des Geschäftsjahres angehoben. Ohne diese fiktionale Aufwertung läge der Verschuldungsgrad bei 50 %. Und statt eines positiven Ergebnisses von 2,8 Mrd. Euro würde die Bilanz mit einem Minus von 4 Mrd. Euro enden. Trotz starker Mietsteigerungen müssten die MieterInnen mittlerweile 31 Jahre lang ihre gesamte Jahresmiete einsetzen, um diesen Wert abzuzahlen. Im Vorjahr waren es noch 26 Jahre.

Trotz Expanionskosten mehr Dividende als jemals zuvor

Trotz dieser Entwicklung will der Vorstand den AktionärInnen insgesamt mehr Dividende ausschütten als jemals zuvor: 1.3 Mrd. Euro. Das sind 77 Prozent des  „Group FFO“, einer von der Vonovia selbst konstruierten Kennziffer für den operativen Gewinn. Eigentlich hatte der Vonovia-Vorstand die Ausschüttungs-Marke auf 70 Prozent des Group-FFO gesetzt. Es sollte nie das Gerücht aufkommen, die AktionärInnen würden aus der Unternehmenssubstanz bedient. Schnee von gestern! Der Vonovia-Vorstand will den AktionärInnen die nach dem Deutsche Wohnen-Kauf eigentlich angesagte Absenkung der Dividende pro Aktie nicht zumuten, zumal es auch um den Kurs der Aktie nicht zum Besten steht.  Der Höhenflug im Sommer  2021 war auf die lukrativen Übernahmeangebote an die Deutsche Wohnen-AktionärInnen zurückzuführen, Er konnte nicht stablisiert werden. Im Vergleich zu März 2021 ist der Kurs aktuell um etwa 10 Euro pro Aktie gesunken, ein Rückgang von mehr als 20 Prozent. Jetzt soll eine erhöhte Ausschüttung dafür sorgen, dass die Dividendenrendite nicht einbricht. Das aber geht an die Mieteinnahmen und die Zukunftsfähigkeit des Konzerns.

45 Prozent der Mieteinnahmen sollen an die AktionärInnen gehen

Wie voraussehbar war, zahlen vor allem die MieterInnen für den aggressiven Expansionskurs des Konzerns. Die auf 1,3 Mrd. Euro geplante Dividendenausschüttung entspricht einem deutlich höheren Anteil an den Mieteinnahmen als 2020/2021. Wurden im letzten Jahr gut 37 Prozent der Mieteinahmen des Vorjahres an die Aktionärinnen ausgeschüttet, sollen es in diesem Jahr 43 bis 45 Prozent der Mieteinnahmen aus dem alten Vonovia-Bestand ohne Deutsche Wohnen werden. Der genaue Wert hängt davon ab, welche Anteile der Dividende man den Nicht-Mieteinnahmen zurechnet. Bereinigt man die Miet-Dividende um die Anteile der operativen Gewinne, die auf die noch nicht voll integrierte Deutsche Wohnen und  die Immobilienverkäufe zurückzuführen sind, beträgt ihr Anteil 1,1 Mrd. Euro. Und das sind 45 Prozent der Brutto-Mieteinnahmen.

Von jedem Euro Miete, den die Vonovia-MieterInnen 2021 zahlten, fließen also 45 Cent in die Dividendenausschüttung. Knapp 17 Cent werden für die laufenden Zinsen benötigt, knapp 3 Cent für laufende Steuern. Für die eigentliche Wohnungsbewirtschaftung inklusive Instandhaltungsaufwendungen benötigte die Vonovia nur 25 Cent pro Euro Mieteinnahme. Den Rest, – 10 Prozent der Mieteinnahmen – kann die Vonovia in mietsteigernde Modernisierungen und Neubauten oder weitere Aufkäufe investieren. Der letztere Wert ist deutlich niedriger als im Vorjahr.

Spitzenreiter Berlin:  Mietsteigerungen weit über Bundesdurchschnitt

Umso mehr dürfte der Druck auf die Erhöhung der Mieten zunehmen. Im Jahr 2021 stiegen die Vonovia-Mieten – bereinigt um An- und Verkäufe – um 3,9 Prozent, in Deutschland um 3,8 Prozent. Im gleichen Zeitraum stiegen die Mieten in Deutschland im Durchschnitt um 1,3 Prozent (Mietenindex des statistischen Bundesamtes). Die Vonovia ist also weiterhin ein Mietentreiber erster Güte. Die wesentlich teureren Neubauwohnungen tragen mit 0,6 Prozentpunkten zu dem „Mietsteigerungserfolg“ der Vonovia bei. Den Rest teilen sich mit je 1,6 Prozent die Mietsteigerungen nach Modernisierung und die „Anpassungen“ an die Marktmiete, also Mieterhöhungen und Neuvertragsmieten ohne Modernisierung.  Während die Modernisierungsmieterhöhungen gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen sind, sind die Marktmietenerhöhungen stark gestiegen.

Besonders kräftig zugelangt hat die Vonovia dabei in Berlin: 8,4 Prozent. Es dürfte sich zu einem wesentlichen Teil um nachholende Mieterhöhungen nach dem Scheitern des Berliner Mietendeckels handeln. Die „Zusage“ von Vonovia-Chef Buch aus dem letzten Frühsommer, die Mieten würden nicht über 1 Prozent steigen, entpuppt sich als eine weitere Fake-Nachricht.

<wird fortgesetzt>