Vonovia Halbjahres Bilanz: Auf dem Weg zu monopolähnlichen Strukturen?
Auch nach Scheitern der Übernahme der „Deutsche Wohnen“ sieht sich die Vonovia SE weiter auf Wachstumskurs. In ihrem Finanzbericht für das erste Halbjahr 2016 feiert die größte Vermieterin Deutschlands Gewinn- und Effizienzsteigerungen. Zumindest zum Teil gehen diese Gewinne auf Kosten der Mieterinnen und Mieter. Besorgniserregend ist auch, mit welcher Entschlossenheit der Konzern den Ausbau seiner Marktmacht angeht.
Auf den ersten Blick ist die Vonovia im ersten Halbjahr nicht nur nicht mehr gewachsen, sondern sogar geschrumpft, – jedenfalls was die Anzahl eigener Wohnungen anbelangt. Am 30. Juni besaß die Vonovia fast 17.000 Wohnungen weniger als noch sechs Monate zuvor. Das ist ein Rückgang um 4,7 Prozent. Verkauft wurden vor allem Wohnungen in NRW und Norddeutschland, die vom Konzern als „nicht strategisch“ eingeschätzt werden.
Bezogen auf die Mieterlöse war das für die Vonovia kein Verlust. Die Mieten pro Quadratmeter sind deutlich gestiegen. Das liegt an Mieterhöhungen und Modernisierungen, aber auch daran, dass es in dem „bereinigten“ Wohnungsbestand der Vonovia nun weniger Leerstände und wenieger Wohnungen mit niedrigen Mieten gibt. Die Frage ist nur: Was wird aus den Wohnungen, die Vonovia abgestoßen hat?
Einer der größten Abnehmer der Wohnungen war die LEG NRW. Im letzten Jahr hatte die Vonovia mit ihrem Übernahmeangebot an die Aktionäre der Deutsche Wohnen verhindert, dass dieser Konkurrent die LEG schluckt. Trotz des Scheiterns der eigenen Übernahmepläne stellte Vonovia-Chef Buch dieses Ergebnis bei der letzten Aktionärsversammlung als Erfolg dar. Eine bemerkenswerte Entwicklung: Der Marktführer Vonovia bestimmt zunehmend nicht nur über die Geschicke in seinem eigenen Laden. Er greift auf die gesamte Branche aus.
Ihren eigenen Wohnungsbestand will die Vonovia mit hohem Einsatz auf Vordermann bringen. Das lässt sie sich freilich von den Mietern bezahlen. Auch im ersten Halbjahr 2016 bestand fast die Hälfte der Ausgaben für die Sanierungen nicht aus Kosten für überfällige Reparaturen und Instandhaltungen, sondern aus Modernisierungsmaßnahmen, die zu hohen Mieterhöhungen führen.
Wie von ihr angekündigt,lässt die Vonovia inzwischen fast alle Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen von dem dazu gegründeten eigenen Tochterunternehmen TGS (Gewinn 2015: 23 Mio. €) ausführen. Dabei kommt es zu keiner Ausschreibung. Die lokale Wirtschaft ist chancenlos einen Auftrag zu ergattern. Tausende von Handwerkern, die früher bei kleineren Betrieben arbeiteten oder selbständig waren, sind jetzt bei Vonovia angestellt. Bezahlung und Arbeitsbedingungen sind schlechter als im Tarifvertrag der Immobilienwirtschaft vorgesehen, kritisiert die Gewerkschaft Verdi seit langem.
Die Mieter haben von den geringen Löhnen nichts. Denn intern verrechnet die Vonovia die Arbeitsleistungen nach Marktpreisen, wie sie selbst wiederholt dargelegt hat. In den Mieterhöhungen nach einer Modernisierung sind deshalb nicht nur die viel zu hohen Zinsansätze enthalten, die das Mietrecht mit seiner Kostenumlage von 11 % pro Jahr erlaubt. Schon diese allein führen dazu, dass die Vonovia nach eigenem Bekunden über 7 % Rendite mit den Modernisierungen macht. Aber das ist nicht das Ende der Renditesteigerung. Durch die Gewinne ihrer riesigen Handwerkertochter erhöht sich der Profit des Konzerns noch mehr.
Die Vonovia nennt ihre Strategie „Insourcing“ und hat alle Geschäfte, die über die reine Wohnungsbewirtschaftung hinausgehen, in einem eigenen Bereich „Extensions“ zusammengefasst. Dieser hat seine Ergebnisse gegenüber dem Vorjahr um 23 % auf 26 Mio. Euro gesteigert.
Auch wenn die TGS die bei weitem umsatzstärkste „Extension“ ist: Längst ist die Vonovia auch in der Wohnungsverwaltung für Dritte engagiert und an der Versorgung mit Kabelfernsehen beteiligt. Rechtlich besonders problematisch ist die eigene Firma für Versicherungsdienstleistungen. Zum Teil könnten über diese Konstruktion nicht nur die Kosten der Versicherungen, sondern auch Gewinne des Vermieters in den Nebenkostenabrechnungen enthalten sein, – und sei es in Form nicht an die Mieter weiter gegebener Provisionen.
Relativ neu ist, dass die Vonovia auch eine eigene „Organisation zur Pflege und Instandhaltung des Objektes“ betreibt. Hier geht es um das Insourcing der Gartenpflege. Auch die Messung und Abrechnung von Heizungs- und Wasserverbräuchen nimmt der Konzern in die eigene Hand. All das könnte als Alternative zu unqualifierten Rasenmäherkolonnen und den undurchsichtigen Berechnungen von Brunata, Ista & Co. theoretisch auch Vorteile für die Mieter udn frü die Beschäftigten bringen, – wenn die Triebfedern Mietertransparenz und gute Arbeitsbedingungen wären. Weil dem aber nicht so ist, müssen wir befürchten, dass es darumgeht, aus den Nebenkosten zusätzlich Gewinne zu ziehen- – und die konzernweite Datenverarbeitung mit weiteren Daten der Mieter zu füttern, die bei Messungen gesammelt werden können.
Zunehmend stellt sich die Frage, was das Mietrecht und was die Wohnungspolitik der Entstehung eines derartigen, in alle möglichen Märkte ausgreifenden, in einigen Bereichen zunehmend monopolähnlich wirkenden Konzerns entgegen zu setzen haben. Wo der Wettbewerb geschwächt wird, könnte mehr Mieterkontrolle eine Antwort sein. Aber darauf ist das ganz auf Einzelfälle ausgerichtete Mietrecht bisher nicht eingestellt. Eine Aufgabe für die Parteien nach den kommenden Wahlen?