Annington im Börsenpoker
Zwei Anläufe brauchte das britische Private Equity-Haus Terra Firma um einen Teil der Aktien ihrer Wohnungsplattform „Deutsche Annington“ an die Börse bringen. Dies war Voraussetzung dafür, dass ein im Frühjahr aufgestellter neuer Plan zur Ablösung der gigantischen Verbriefungsschulden durch günstigere Anleihen umgesetzt werden konnte. Mit dieser Umschuldung sind Chancen für eine flexiblere Wohnungsbewirtschaftung verbunden. Sollen diese Chancen im Sinne der Mieter genutzt werden, muss die Deutsche Annington durch politischen Druck zu grundlegenden Korrekturen an ihrem bisherigen Geschäftsmodell bewegt werden. Sonst kann alles noch schlimmer werden.
Die im Jahr 2006 abgeschlossene und im letzten Jahr nach einem Riesenaufwand „gestundete“ GRAND-Verbriefung belastete fast alle Wohnungen mit Hypotheken. Die Mieten waren verpfändet, die Zahlungsströme wurden für die Verbriefungsgesellschaft gesichert. Für wohnungswirtschaftliches Handeln im größeren Stil blieb da wenig Spielraum. In der Folge mussten die meisten Annington-Strategien der Kostensenkung in der Bestandsverwaltung dienen. Sowohl die Neubelastung mit Schulden für Modernisierungen oder Neuankäufe, als auch Wohnungsverkäufe waren durch die völlig unflexiblen Kreditverträgen stark beschränkt.
Hauptmotiv des Börsengangs war die Sicherung der Ablösung dieser schwer im Magen liegenden Kredite zu Gunsten zinsgünstigerer unbesicherter Anleihen. Das dazu mit den Großbanken Morgan Stanley und J.P Morgan verabredete Geschäft setzte voraus, dass es zu einer Eigenkapitalerhöhung von mindestens 400 Millionen Euro kam. Diesem Ziel diente die Ausgabe der neuen Annington-Aktien. Der Erlös für die wenigen zusätzlich angebotenen Altaktien kam den Private Equity Fonds und deren Manager TerraFirma (Guy Hands) zu Gute.
Nach der inzwischen bereits erfolgten Ablösung durch unbesicherte, erstrangige Anleihen fallen die bisherigen Beschränkungen des Annington-Geschäftes. Zugleich müssen niedrigere Zinsen gezahlt werden und die Gesellschaft müsste sich nicht mehr jedes Jahr mit hohem Aufwand um die 700 Mio. € für die fällige Tilgung bemühen. Die Gesellschaft gewinnt damit den Spielraum, „richtige Wohnungswirtschaft“ zu machen, d.h. endlich nicht nur die Mietzahlungen für die finanzielle Befriedigung der Gläubiger zu sichern, sondern richtige Profite mir richtigen Investitionen zu erwirtschaften.
Theoretisch könnten die neuen finanziellen Handlungsspielräume nun auch im Sinne der Mieter genutzt werden, um z.B. flächendeckend überfällige Instandsetzungen durchzuführen. Sie können allerdings ebenso auch gegen die Interessen der Mieter genutzt werden, wenn sie z.B. zu zusätzlichen Verkäufen oder zu teuren Modernisierungen führen. Außerdem verursachen die angestrebten Gewinn-Ausschüttungen in Höhe von 70 % des operativen Vermietungsergebnisses einen dauerhaften wirtschaftlichen Verwertungsdruck, der sich u.a.in einer Fortsetzung unzureichender Instandhaltung ausdrücken kann. Nach der im Börsenprospekt veröffentlichten Portfoliostrategie der Deutschen Annington ist zu erwarten, dass die neuen Spielräume dazu genutzt werden, einen Teil der Wohnungen mieterhöhungswirksam zu modernisieren, während andere Teile privatisiert oder verramscht werden.
Entscheidend für die weitere Entwicklung des Wohnungsunternehmens ist, ob die Haupt-Gesellschafter der Deutschen Annington weiter auf einen lukrativen Exit zu Lasten der Substanz setzen, oder ob sie zu einer Kehrtwende zu Gunsten einer dauerhafteren und sozialeren Bewirtschaftung ihres Wohnungsvermögens bewogen werden können. Wir können davon ausgehen, dass der Finanzmarkt und die Lage der Gesellschaft ein derartiges Umsteuern gegenwärtig ermöglichen würden, wenn der Gesellschafter dazu – unter Verzicht auf kurzfristigen Profit – bereit wäre.
Vor diesem Hintergrund wäre von der Terra Firma zu fordern:
– Anstatt weiter anzustreben, wesentlich Anteile der Monterey Holding (Beteiligungsplattform der Fonds) an der Annington zu hohen Preisen an der Börse zu veräußern, sollte Terra Firma bei institutionellen Anlegern langfristige, sichere Beteiligungen bei geringen Renditeerwartungen einwerben.
– Auf eine Gewinnausschüttung muss angesichts des hohen Nachholbedarfs bei der Instandsetzung auch weiter verzichtet werden. Die jährlichen Netto-Ergebnisse aus der Vermietung müssen stattdessen in den Bestand und den Ausbau einer Wohnungsbewirtschaftung ohne Tarifflucht und Niedriglöhne reinvestiert werden.
– Der in den letzten Jahren im Eigenkapital angesammelte operative Gewinn (eine hohe dreistellige Millionensumme) sollte für die flächendeckende, bedarfsgerechte und nicht mieterhöhungswirksame Verbesserung des Wohnungsbestandes eingesetzt werden.
– Die zum Börsengang veröffentlichte Portfolio-Strategie muss grundlegend revidiert werden. Auf Verkäufe sollte weitgehend verzichtet werden, Investitionen sollten in allen Bestandssegmenten nach baulicher Dringlichkeit und lokalem Bedarf erfolgen. Für alle Regionen sollten unter Beteiligung der Mieter und anderer Stakeholder Konzepte zur Entwicklung des Wohnungsbestandes erarbeitet werden, die u.a. Investitionspläne und Belegungsstrategien für jeden zusammenhängenden Gebäudebestand umfassen. Die Mieter ? und auch die Kommunen ? müssen in jedem Fall wissen, was auf sie zukommen wird.
– Die zurzeit als „Non Core“ eingestuften, zur Veräußerung vorgesehenen Wohnungen sollten so weit als möglich erhalten und erneuert werden. Sie sollten in der Regel auf Dauer vermietet werden. Alternative Konzepte könnten im Einzelfall in Zusammenarbeit mit den Mietern entwickelt werden.
Diese Korrekturen an der Geschäftsstrategie wären Voraussetzung dafür, dass die Deutsche Annington die Forderungen des „Aktionsbündnisses von Mietern und Nachbarn der Deutschen Annington“ erfüllen kann.
Ohne Umsteuern ihrer Eigentümer auf ein langfristig und sozial orientiertes Geschäftsmodell sollte die Deutsche Annington keine öffentlichen Fördermittel erhalten.