Zur Lage der Vonovia bei der Hauptversammlung 2023

|Korrekturen 13.5.23| Die MieterInnen hatten bei der Vonovia und ihren Vorgängerorganisationen schon immer wenig zu lachen. Die AktionärInnen schon. Noch im letzten Jahr wurden über 45 % der Mieteinnahmen als Dividende ausgeschüttet. Trotzdem befindet sich der Aktienkurs weiter im Keller. In diesem Jahr soll nur noch etwa die Hälfe der Dividende gezahlt werden. Schaut man in den Quartalsbericht der Vonovia zum 31. März kommt man zu dem Schluss, dass auch das zu viel ist: Die Vermietung ausgenommen sanken die operativen Überschüsse (EBITDA) in allen Geschäftssegmenten. Der Gesamt-FFO sank um 17,8 %. Das hat es bei der Vonovia und ihren VorgängerInnen bislang noch nicht gegeben. Auch die Abwertung des Immobilienbestandes um 3,6 Mrd. € bedeutet eine Zäsur in der Entwicklung seit der Finanzkrise 2008/09.

Schon aufgrund der gestiegenen Zinsen und der Inflation beginnen sich die fiktionalen Zuwächse der Verkehrswerte („Fair Value“), die den Immobilien seit fast 20 Jahren zugeschriebenen wurden, aufzulösen. 3,6 Mrd. Euro an Immobilienwerten mussten laut Quartalsbericht zum 31. März 2023 abgeschrieben werden. Wie die geänderten Zinsen in die Berechnung des Discounted Cashflow (DCF) einfließen, ist dem Quartalsbericht nicht zu entnehmen. Im Geschäftsbericht 2022 wurden die Zinssätze nur geringfügig angehoben. Es ist kaum zu erwarten, dass das beibehalten werden kann, auch aufgrund des eindeutiger werdenden Trends zu insgesamt fallenden Immobilienpreisen. Die Beteuerungen des Vorstandes, der Fair Value sei trotz Zinsentwicklung aufgrund der Marktnachfrage stabil, werden immer unglaubwürdiger.

Aber auch die operativen Ergebnisse im Quartalbericht 1/2023  sind stark rückläufig:

  •     Bei den mit der Deutschen Wohnen übernommen Pflegeimmobilien sind die Personal- und Energiekosten gestiegen. Die Vonovia will sie abstoßen. Aber nach den Großpleiten der letzten Monate in diesem Bereich könnte es schwer werden, einen Käufer finden, der die Preiserwartungen der Vonovia erfüllt.
  • Das EBITDA aus Neubau und Entwicklung ging um 80 % zurück. Eine Änderung ist nicht in Sicht. Der Vorstand hat angekündigt, keine neuen Projekte zu starten. Das noch nie besonders glaubhafte Vonovia-Versprechen, einen maßgeblicher werdenden Beitrag zur bezahlbaren Wohnraumversorgung zu leisten, ist Geschichte.
  • Die Ergebnisse aus den Einzel- und Non Core-Verkäufen haben sich halbiert, was vor allem an dem geringen Volumen liegt. Die Vonovia kann ihre hohen Preiserwartungen nur in wenigen Fällen realisieren. Bei sinkenden Hauspreisen wird sich kaum etwas an dieser Situation ändern: Entweder die Vonovia verkauft kaum etwas. Oder sie geht mit den Preisen runter, und dann lässt sich die Legende von den stabilen Verkehrswerten noch weniger halten.
  • Weil weniger in Neubau und Modernisierungen investiert wurde und weil die Kosten gestiegen sind, hat sich auch das EBITDA aus den konzernintern erbrachten oder abgerechneten Leistungen (Value Add) nahezu halbiert. Der Beitrag der Nebenkosten- und verbleibenden Modernisierungsabrechnungen für das Ergebnis wird bedeutender. Damit steigt der Druck, die Gewinne mit Hilfe intransparenter Umlageabrechnungen zu erwirtschaften und die Mieter auch auf diese Weise zu belasten.

Die einzige Ausnahme von dieser negativen Bilanz stellen die weiter wachsenden Mieteinnahmen und Mieten dar. Der Vonovia-Vorstand versichert, dass das dank der „Megatrends“ (die Faktoren von Wohnungsnot und Klimanotstand) ewig so weiter gehen wird. In der Tat stiegen die Like-for-Like-Mieten der Vonovia laut Quartalsbericht um 2,7 %, und das ist mehr als der Bundesmietenindex im gleichen Zeitraum. Aber zugleich ist markant, dass die Werte des Vorjahreszeitraums (3,2 %) nicht mehr erreicht wurden. Auf den Nachholeffekt in Berlin allein ist das kaum zurückzuführen.

Dass sich die Mietsteigerung endlos im gleichen Tempo fortsetzen lässt, ist zumindest fragwürdig. Bislang wird ein erheblicher Teil der Mieten- und Nebenkostensteigerungen durch die staatliche Gaspreissubvention, das erhöhte Wohngeld und durch Bürgergeld aufgefangen. Aber wie lang wird der Staat da noch nachlegen? Die Kulanz bei Übernahme hoher Mieten durch die Jobcenter zum Beispiel ist zeitlich begrenzt. Was, wenn die hohen Mieten nicht mehr übernommen werden? Zugleich fressen Inflation und Energiekosten die Einkommenszuwächse. Die Kritik an steigenden Mieten kann schnell breiter und virulenter werden. Auf lange Sicht kann ein Geschäftsmodell, das im Wesentlichen auf Mietsteigerungen basiert, nicht funktionieren.

Gleichzeitig bekommt die Vonovia die Probleme mit ihrer überstandardisierten und undurchsichtigen Bestandsbewirtschaftung nicht in den Griff. Wer sein Rechnungswesen vor Mieterkontrollen abschirmt, muss sich über dunkle Winkel der Auftragsvergabe nicht wundern. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt wegen Korruptions- und Betrugsverdacht. Es sollen fingierte Leistungen abrechnet worden sein. Das kommt vielen MieterInnen bekannt vor. Sind die Modernisierungs- und Betriebskosten-Abrechnungen der Vonovia vielleicht ebenso von labilen Fiktionen geprägt wie die Immobilien-Bewertungen?

Es sind zynischerweise nur die globalen Katastrophen, die renditeorientierten AktionärInnen noch Hoffnung geben: Sowohl für die Bewältigung der durch Kriegs- und Klimaflüchtlinge verschärften Wohnungsnot als auch für den klimagerechten Umbau der Städte werden die großen Wohnungsmarktakteure benötigt. Diese Abhängigkeit führt dazu, dass der Staat Vonovia immer mehr subventioniert. Im letzten Jahr erhielt die Vonovia eine Zusage der Europäischen Investitionsbank (EIB) über vergünstigte Kredite für energetische Modernisierungen in Höhe von 600 Mio. Euro. In den Geschäftsberichten findet man diese Subventionen ebenso wenig wieder wie in den Abrechnungen der Mieter, obwohl das rechtlich vorgeschrieben ist.

Das Geschäftsmodell der industrialisierten börsennotierten Wohnungswirtschaft beginnt auch wirtschaftlich zu scheitern. Seine Fortsetzung lässt das Problem immer größer werden. Vorstand und Aufsichtsrat, die dieses Modell tragen und dafür horrende Bezüge einstreichen, sollten jetzt ihre Hüte nehmen und den Weg freimachen für die Resozialisierung der einst gemeinnützigen Wohnungsunternehmen, die heute von der Vonovia kontrolliert werden.

Es müssen alle Kräfte darauf gerichtet werden, die Wohnungen und die Arbeitsplätze zu sichern. Der dazu nötige Umbau erfordert den Ausstieg aus der Börsennotierung. Ein Teil der Wohnungsbestände sollte zu einem sozialen Verkehrswert an Kommunen und Länder abgegeben werden, die das wollen. Dazu gehört das Land Berlin, das den Volksentscheid zur Enteignung umzusetzen hat. Der Rest der Vonovia muss in gemeinnützige Wohnungsunternehmen verwandelt werden, deren gesamtes Vermögen dauerhaft der klimagerechten Wohnungsversorgung breiter Schichten der Bevölkerung gewidmet ist. Erst dann wäre die Voraussetzung für ein „ethisches Investment“ in Wohnungen wieder gegeben.