Buch fordert Mietrechts-Enquete

„Vonovia ist Teil der Lösung“ behauptet Vonovia-CEO Rolf Buch in einem Kommentar im Handelsblatt vom 25.10.2021.

Wie wollen wir künftig mieten und vermieten?

Darin unterbreitet der Chef des größte profitorientierte Wohnungsunternehmens Europas eine Reihe von politischen Vorschlägen, wie man die Wohnwelt rettet, ohne den Immobilienkonzernen allzu weh zu tun. Die Botschaft: Ohne Vonovia geht es auf keinen Fall. Wer ihren Einfluss zurückdrängen will, wer sie gar enteignen möchte, ist ein realitätsfremder „Ideologe“.  Buch fordert eine parlamentarischen Enquete-Kommission, die das gesamte Mietrecht im Dialog mit der Wohnungswirtschaft überprüfen soll. Natürlich exklusiv beraten von ihm selbst.

Liest man Buchs Statements der letzten Monate bekommt man das Gefühl, er bewerbe sich persönlich für den Posten eines künftigen Wohnungsbauministers. Das kann man auch als schamlosen Lobbyismus verstehen, der nicht mehr (nur) hinter verschlossenen Türen, in Hinterzimmern der Parteien, Fraktionen, Ministerien stattfindet, sondern ganz offen und selbstbewusst in aller Öffentlichkeit.

Die politische Haltung, die Buch dabei vertritt, ähnelt der klassischen Sozialpartnerschaft vergangener Jahre. Buch stellt sich bzw. die Vonovia  als die personifizierte Sozialpflichtigkeit des Eigentums dar, berufen, die fachliche Führung in der Lösung der Wohnungsfrage zu übernehmen. Sei es Klimaschutz, günstiges Bauen und nun das Mietrecht. Wer wissen will, wo die Probleme liegen und wie man sie angehen kann, erhält die Antwort von ihm und ihr. Dazu passen die diversen Musterquartiere und -projekte, von Energieerzeugung im Quartier über Fertigbauweise bis hin zu Härtefallmanagement-Leitfäden. Mit dieser Selbstdarstellung versucht die Vonovia Definitionsmacht über alles zu gewinnen, was soziales Mietrecht, was Wohnen ist und sein soll.

Sehen wir uns einzelne der Vorschläge etwas näher an.

Die von Buch vorgeschlagene Enquetekommission „zukunftsfähiges Mietrecht“ ist zunächst ein Mittel des Aufschubs. Es wird so getan, als werde auf den öffentlichen Druck reagiert. In Wirklichkeit geht es darum, Maßnahmen zu vermeiden, die die Geschäftsinteressen der Konzerne beeinträchtgen könnten. Zugleich dürfte Buch  darauf hoffen, in einer darartigen Komission den Boden für ein umfassende Veränderung des Mietrechts zu bereiten, die mit seiner Vision einer auf alle Aspekte des Wohnens ausgeweiteten „Wertschöpfung“ kompatibel ist.

Man kann Buch und der Vonovia abkaufen, das für ihr Geschäftsmodell eine gewisse Regulation der Mietmärkte durchaus von Vorteil ist. Das zeigt sich auch an der Expansion ins Ausland, die v.a. in regulierte Märkte stattfindet (Schweden, Österreich, Frankreich, Niederlande). Diese Ausrichtung wird auch gegenüber den Aktionären, Banken, Analysten ausgiebig vertreten. Es geht hier um eine absehbare und planbare Geschäftsentwicklung ohne große Volatilität.

Weil Buch weiß, dass man um die Simulation von Eingriffen in besonders extreme Wohnungsmärkte nicht herum kommt, spricht er sich für regional und zeitlich beschränkte Begrenzungen eines Mietenanstiegs aus, also die sogenannte Mietenbremse. Was aus seiner Sicht aber nicht eingeführt werden darf, sind flächendeckende Mietendeckel, die das Ausweichen auf andere Märkte verunmöglichen.

„Keine Verdrängung durch Modernisierung.“ Dieser Kernsatz wirkt beinahe zynisch, da wohl nicht wenige ehemalige Vonovia-Mieter:innen genau durch diese Modernisierungsmaßnahmen ihre Wohnung verlassen mussten. Vonovia hat längst begriffen, dass Modernisierung ein einträgliches Geschäft ist, aber hohes Konfliktpotential hat. Daher hat man sich schon 2018 für eine Deckelung der Mieterhöhung auf 3 EUR/qm ausgesprochen, noch bevor das Beschluss im Bundestag wurde.

Es geht Buch darum, dieses Investitionsfeld dauerhaft zu erhalten. Es ist klar, dass die energetische Ertüchtigung des Wohnungsbestandes hin zu einer angestrebten Klimaneutralität eine enorme volkswirtschaftliche Aufgabe ist, mit der man als Konzern viel Geld verdienen kann. Wo immer es geht, kritisiert Buch deshalb die derzeitigen Regelungen zur Nutzung und Vermarktung von Strom, der auf/an den eigenen Gebäuden produziert wird.  Die eigene Energiegesellschaft ist längst gegründet. Warmmietenmodelle nach schwedischem Vorbild könnten dem Konzern Gewinnmargen eröffnet, ohne dass kritische MieterInnen legitimieren zu müssen.

„Sozialer Wohnungsbau ist besser als Wohngeld.“ Diesefür einen Immoblienoligarchen auf den ersten Blick ungewöhnliche Positionierung wird sicherlich nicht von der Breite der Wohnungswirtschaft geteilt, die immer wieder Wohngeld als das Mittel der Wahl anpreist. Logisch: es stützt die Mieten, treibt sie sogar an.

Buch aber hat im Sinn, dass öffentlich geförderter Wohnungsbau sich lohnen muss. Vonovia will bauen, und weil man dafür öffentliche Grundstücke und Baurechte benötigt abgeschnitten zu werden, ist man sogar bereit, öffentlich geförderte Wohnungen zu erreichten. Der Staat muss nur dafür Sorge tragen, dass sich dies für die Vonovia auch lohnt. Von einem öffentlichen Wohnungsbau, der die Eigenkapitalrendite im Wohnungsbau in Frage stellt, will Buch sicherlich nichts wissen.

„Schnelle Genehmigungen“_ Vonovia ist immer mehr im „Development“-Geschäft tätig, baut also selbst. Dabei setzt sie auf kostengünstige serielle Produktion. Dass die Bearbeitungsdauer von Baugenehmigungen vielleicht auch etwas mit kaputtgesparten öffentlichen Haushalten und in der Folge zu wenig Personal zu tun hat, ist wohl nicht ganz ohne Grund nicht im Kommentar enthalten. Schnelle Genehmigungen bedeuten, die Kompetenz über Standards und Abläufe von der öffentlichen Hand zur privaten Wohnungswirtschaft zu verschieben.

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Buchs Kommentar ist Ausdruck des wachsenden Selbstbewusstseins der privaten Großkonzerns. Der Vonovia reicht es nicht mehr, möglichst viele Wohnungen zu besitzen. Sie versucht immer mehr bestimmenden Einfluss auf die Wohnungspolitik nehmen.