LEG-Geschäftsbericht 2020: Hohe Dividende trotz Corona und schlechtem Service
Die LEG Immobilien SE präsentiert in Ihrem Jahresbericht für das Krisenjahr 2020 ein glänzendes Ergebnis. Im Gegensatz zu vielen MieterInnen und anderen Branchen sind börsennotierte Großvermieter von der Corona-Krise kaum betroffen, – jedenfalls was die Ausschüttungen an die Anleger anbelangt. Der LEG-Vorstand schlägt vor, 272,5 Mio. Euro Dividenden an die AktionärInnen auszuzahlen, pro Aktie sind das 5 % mehr als im Vorjahr. Die Ausschüttungen entsprechen 43% der Mieteinnahmen des Jahres 2020. Von jedem Euro Kaltmiete entfallen damit 43 Cent auf die Dividende. Auch im Vergleich zu anderen börsennotierten Wohnungsunternehmen zahlen die MieterInnen der LEG damit besonders viel an die Anleger. Und sie erhalten dafür von ihrer Vermieterin besonders wenig Leistung.
Zum Beispiel in Ratingen. Laut Manfred Evers, Pressesprecher der Ratinger LEG-Mieter*innen-Initiative, sind wochenlange Ausfälle von Aufzügen und Heizungen keine Seltenheit. „Selbst bei Mitteilungen über Schimmelbefall in den Wohnungen wird erst nach mehrmaligen Beschwerden reagiert“, berichtet Evers. Ein ständiges Ärgernis sei die Nichterreichbarkeit der LEG bei Problemen. Viele Telefonanrufe und Emails blieben unbeantwortet.
„Anstatt hohe Dividenden auszuschütten, sollte die LEG mehr Geld in die Reparaturen stecken und mehr Personal für eine mieternahe Verwaltung einstellen“, fordert Kleinaktionär Markus Roeser, zugleich wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins Dortmund. Laut Geschäftsbericht werden für die laufenden Kosten der Wohnungsbewirtschaftung 155,5 Mio. Euro (EPRA-Kosten) benötigt.
„Dass Wohnungskonzerne wie die LEG mitten in der Corona-Krise derart hohe Dividenden ausschütten, ist beschämend für die ganze Branche und auch für die Politik, die das zulässt “, meint Kleinaktionär Knut Unger vom MieterInnenverein Witten. „Viele MieterInnen haben Einkommensverluste. Sie zehren ihre Ersparnisse für die Mietzahlungen auf. Andere mussten Sozialleistungen beantragen, zu denen der Zugang glücklicherweise vorübergehend leichter ist. Diese Sozialleistungen wirken nun wie öffentliche Subventionen für leistungslose Gewinnsteigerungen der Aktionäre, darunter globale Anlageplattformen wie BlackRock.“
Bei der Hauptversammlung am 27. Mai wollen die kritischen Immobilienaktionär*innen beantragen, dass die LEG auf die Dividendenausschüttung verzichtet. Der Überschuss des Geschäftsjahres 2020 müsse dafür eingesetzt werden, die Mieten zu senken, den Wohnungsbestand ohne Erhöhungen der Warmmieten energetisch zu sanieren und die starken Mängel in der Wohnungsbewirtschaftung der LEG abzubauen.
Überfordert im Elfenbeinturm
Nach den Erfahrungen vieler MieterInnen ist die LEG mit der Verwaltung ihrer Wohnungsbestände immer mehr überfordert. „Standardisierte und automatisierte Massenabläufe bei Abrechnungen, Mieterhöhungen und Zahlungserinnerungen können die ortsnahe Wohnungsverwaltung und den persönlichen Kontakt mit den Mieterinnen und Mietern nicht ersetzen“, erklärt Markus Roeser vom Mieterverein Dortmund. Es komme in allen Bereichen deshalb immer wieder zu Fehlern und Pannen.
„Wir beobachten, dass die LEG ihren Fürsorgepflichten in der Verwaltung der Wohngebiete immer weniger nachkommt. Dadurch entstehen für die Mieter unnötiger Ärger und unnötige Kosten“, berichtet der Wittener Mietervertreter und Kleinaktionär Knut Unger. „Zum Beispiel könnten die teilweise sehr hohen Müllkosten gesenkt werden, wenn die LEG die Mülltonnen den Verbrauchern zuordnen und ihr Volumen dem Bedarf anpassen würde. Aber dazu müsste die LEG ihre Siedlungen tatsächlich aufsuchen und Mieterschreiben nicht nur automatisiert mit Textbausteinen beantworten.“ In vielen Fällen, so Unger, erziele die LEG mit ihren „sogenannten Fehlern“ auch Einnahmen, die ihr bei korrektem Vorgehen nicht zustehen würden. „Ich kenne seit mindestens 2015 keine Nebenkostenabrechnung, in der keine unbegründeten oder nicht belegten Positionen enthalten wären. Wenn man den Schreiben widerspricht, erhält man oft jahrelang gar keine Antwort, ausgenommen Zahlungserinnerungen. Wenn Mieter mit unserer Unterstützung hartnäckig bleiben, nimmt die LEG ihre Forderungen in vielen Fällen zurück, verfolgt sie nicht weiter oder stimmt vor Gericht Vergleichen zu, die für die Mieter akzeptabel sind. Aber bei all den anderen MieterInnen, die nicht widersprechen, kassiert die LEG ab.“
Auf kurze Sicht bringe das der LEG Vorteile. Auf lange Sicht aber können das nicht gut gehen. „Die Reputation bei den Mietern ist im Keller. Die Risiken von Rückforderungen wachsen. Aber das Management igelt sich in einem Elfenbeinturm aus schönen fiktiven Kennzahlen ein, die mit der Erfahrung der MieterInnen und der Beschäftigten nichts zu tun haben“, wirft Unger dem Vorstand vor. „Bei der nächsten Hauptversammlung werde ich erneut gegen die Entlastung dieses Vorstandes stimmen, dessen zweifelhafte Leistungen zudem viel zu hoch vergütet werden.“
Wachstum auf Kosten der MieterInnen
Trotz ihrer Alltagsprobleme ist die LEG weiter auf Expansionskurs und hat Wohnungsbestände in NRW und anderen Bundesländern aufgekauft. Dies führt zu zusätzlichen Anforderungen an die bereits überforderte Verwaltung. „Die weitere Expansion der LEG ist völlig verfehlt und führt nur zu weiteren Risiken und Nachteilen für die Mieterinnen und Mieter“, meint Roeser. „Die LEG sollte sich darauf konzentrieren, den vorhandenen Wohnungsbestand ordentlich zu bewirtschaften.“
Dass die Zukäufe (u.a. von der Deutsche Wohnen) zu deutlichen höheren Mieteinnahmen pro Quadratmeter führen, ist dem Geschäftsbericht nicht zu entnehmen. Die Mietsteigerungen der nicht öffentlich geförderten Wohnungen lagen mit 1,8 % deutlich niedriger als 2019, sicherlich eine Folge des ersten Lock Downs. In den letzten Monaten scheint der Druck auf die Bestandsmieten wieder zugenommen haben. „In den aktuellen Mieterhöhungswellen beruft sich die LEG wie ehedem ohne Begründung auf die Oberwerte des Mietspiegels“, berichtet Knut Unger aus der Erfahrung des MieterInnenvereins Witten. „In den Mieterhöhungen wimmelt es von erfunden Fassadenmodernisierungen oder Wärmeschutzfenstern. Ich schätze, dass über 90 % der Miethöhungen überzogen sind. Immer mehr unserer Mitglieder verweigern die Zustimmung. Aber die große Mehrheit zahlt nach wie vor. So treibt die LEG das Mietenniveau für alle an.“
Im Jahr 2020 hat die LEG ihre Investitionen in mietsteigernde Modernsierungen von 206,7 Mio. Euro auf 290,4 Mio. Euro erhöht. Für die Instandhaltung der Wohnungen wurden dagegen nur 98,3 Mio. Euro aufgewendet. Welchen Einfluss die gestiegene Modernisierung auf die Mietrenditen hat, lässt sich am Geschäftsbericht nicht erkennen. Im Einzelfall wurden aber extreme Mietensprünge in Folge der Modernisierungen beobachtet. In Witten ergriff eine ganze Hausgemeinschaft die Flucht. Die Wohnungen wurden viel teurer wieder vermietet. Die erhöhte Fluktuation erzeugt aber auch Kosten, über die sich der Geschäftsbericht ausschweigt.
Nach derzeit geltendem Recht können acht Prozent der Kosten für Modernisierungen pro Jahr auf die Mieten aufgeschlagen werden. Dabei müssen eingesparte Instandhaltungskosten von der Mieterhöhung abgezogen werden. Der BGH entschied im Juni 2020, dass dabei auch das Lebensalter der Bauteile berücksichtigt werden muss, nicht nur der aktuelle Reparaturbedarf.
„Nach dieser Klarstellung der Rechtslage durch den BGH muss die LEG damit rechnen, dass zahlreiche Mieterinnen und Mieter Reduktionen der bereits erhöhten Mieten und auch Rückerstattungen der ohne Rechtsgrund erfolgten Zahlungen verlangen können“, sagt Roeser. Der Geschäftsbericht enthält nur Andeutungen zu diesem Risiko.
Die Masche mit den Insichgeschäften
Wie auch die Vonovia setzt die LEG immer mehr auf das „Insourcing“ bislang extern vergebener Leistungen im Bereich Reparaturen, Nebenkosten und Modernisierungen. Große Teile der Heizkostenabrechnungen der MieterInnen beruhen inzwischen auf Energie- und Servicerechnungen, die die konzernbeherrschte EnergieServicePlus GmbH (ESP) den Vermietungsgesellschaften der LEG ausstellt. „Bei uns überträgt die LEG ihre Heizungsanlagen auf die ESP, und diese stellt dann gewinnträchtige Wärmlieferungen in Rechnung“, berichtet Knut Unger. Bei der Hauptversammlung 2020 wurde ein Gewinnabführungsvertrag mit der ESP zu Gunsten der Konzernholding beschlossen. Die Gewinne aus der intransparenten konzerninternen Rechnungstellung fließen so dem Vermietungskonzern zu. Laut Geschäftsbericht erzielte die LEG mit derartigen „Serviceaktivitäten“ (auch „Mehrwertdienstleistungen“ genannt) im Jahr 2020 ein operatives Ergebnis (FFO I) von „rund 31 Mio. Euro“.
Mit dem Kauf des Modernisierungsabwicklers Fischbach GmbH hat die LEG die Insourcing-Strategie auch auf Modernisierungsmaßnahmen ausgedehnt. Das in LWS Plus umbenannte Tochterunternehmen soll die weiterhin extern aufgekauften Bauleistungen mit den Vermietungsgesellschaften abrechnen und so weitere Konzern-Gewinne erzielen. „Die Abrechnungen der LEG mit den Mieterinnen und Mietern werden durch diese Methoden noch undurchsichtiger und rechtlich angreifbarer als sie es ohnehin schon sind“, sagt Knut Unger vom MieterInnenverein Witten. „Unsere Mitlieder halten immer öfter Nachforderungen zurück. Auch vor Gericht ist die LEG nicht in der Lage, ihre Abrechnungen komplett zu belegen. Dazu gehören unter anderem die Abrechnungen des angeblichen Hauswartes, die Wärmeabrechnungen und angebliche Architektenhonorare in den Modernisierungsmieterhöhungen. Nicht in einem dieser Fälle hat uns die LEG bislang die für die Prüfung erforderlichen Verträge vorgelegt.“
Nein zum Tarifvertrag schadet den MieterInnen
MieterInnen in ganz NRW beklagen seit langem die schleppenden Reparaturen und schlechten Instandsetzungen durch die LEG. In Folge des aktuellen Arbeitskampfes bei der Konzerntochter TechnikServicePlus GmbH (TSP) hat sich die Lage weiter zugespitzt. Von den MieterInnen angezeigte Mängel können noch selten sofort und vollständig behoben werden. Verantwortlich für diese Situation ist nach Ansicht der kritischen AktionärInnen die kompromisslose Haltung des Vorstandes. „Durch sein kategorisches Nein zu einem Tarifvertrag und die Verweigerung von Gesprächen mit den organisierten ArbeiternehmerInnen, schadet der Vorstand auch den Mieterinnen und Mietern“, meint Roeser. „Für eine ordentlichen Wohnungsbewirtschaftung sind auch ordentliche Arbeitsbedingungen und Tarifverträge erforderlich. Der Flucht des Konzerns aus der Tarifbindung muss ebenso Einhalt geboten werden wie der Umgehung der Mieterrechte.“
Börsennotierte Wohnungsunternehmen stärker regulieren
Wie bereits in den Vorjahren hat die LEG ihr Immobilienportfolio stark aufgewertet. Die Neubewertung des Immobilienvermögens trägt allein 1,17 Mrd. Euro zum Periodenergebnis nach IFRS bei. Ohne diese fiktionale Aufwertung würde der Überschuss aus dem Geschäftsjahr auf 194,1 Mio. Euro zusammenschrumpfen. Der handelsrechtliche Einzelabschluss weist einen Jahresfehlbetrag von 17,6 Mio. Euro aus. „Die Höhe der Dividende ist nur mit der Erwartung weiterer Mietsteigerungen gedeckt“, sagt Unger. „Aber das ist ja längst Normalität bei den als Wohnungsunternehmen auftretenden Finanzinvestoren.“
Dass die wenigen Gegenstimmen kritischer Kleinaktionäre gegen die große Masse der renditeorientierten Anleger bei der LEG tatsächlich etwas ausrichten können, darüber machen sich die Mieteraktionäre keine Illusionen. „Die Aktionäre beschneiden ja nicht ihren eigenen Profit. Hier ist der Gesetzgeber gefragt. Die Wohnungsbewirtschaftung börsennotierter Konzerne muss gesetzlich wesentlich stärker reguliert werden als bisher“, fordert Unger. „Am besten wäre es aber, all diese mit öffentlichen Mitteln finanzierten Wohnungen würden in Gemeineigentum überführt und dezentral von demokratisch kontrollierten Trägern verwaltet.“
siehe auch:
Wie die LEG die Wittener MieterInnen zu schröpfen versucht