Für eine politische Gesamtstrategie zur vergesellschaftenden Transformation der Wohnungswirtschaft.
Die Berliner Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ hat über dieses Bundesland hinaus Wellen geschlagen und dazu beigetragen, den wohnungspolitischen Diskurs nach links zu verschieben. Die „Plattform kritischer Immobilienaktionär_innen“ versucht zu den strategischen Herausforderungen und Möglichkeiten, die sich aufgrund dieser Situation über Berlin hinaus ergeben, eine Debatte zu initiieren. Den Auftakt dazu machte ein Workshop am 14. Dezember 2019 in Frankfurt.
Bislang für unverrückbar gehaltene neo-liberale Positionen und wohnungspolitische Rahmenbedingungen sind mit der Enteignungskampagne in Frage gestellt worden. Neue, offensive Wege in der Wohnungspolitik beschritten werden können. Dazu gehören zum Beispiel die Bestrebungen zu öffentlich-rechtlichen „Mietendeckel“ auf Länderebene, die tendenziell die „heilige Kuh“ des marktbasierten Vergleichsmietensystems rechts liegen lassen. Eine neue „Priorität der Politik“ im „Wohnungswesen“ ist in realistische Nähe gerückt. Und damit ist ein weites Feld offensiven Denkens und Handelns eröffnet.
Die Immobilienlobby hat darauf zunächst irritiert reagiert. Inzwischen hat sie eine Maschinerie der Gegenpropaganda angeworfen.In dieser Situation ist es nicht von Vorteil, dass sich außerhalb Berlins die konkreteren Diskussionen, Forderungen und Bestrebungen um eine Vergesellschaftung des Wohnungswesens in engen Grenzen halten. Es gibt auch in anderen Bundesländern Stimmungen und Slogans für die „Enteignung“, aber es ist bislang nicht erkennbar, dass daraus konkrete Konzepte, Strategien und praktische Schritte werden. Das ist nicht nur deshalb unbefriedigend, weil damit ein Teil der Offensive schlicht ausfällt. Da Vermietungskonzerne wie Vonovia, Grand City, TAG oder Akelius bundesweit, zum Teil sogar transnational, tätig sind, ist zu erwarten und bereits zu beobachten, dass ihre Reaktion keineswegs auf Berlin beschränkt bleibt.
Es bleibt den offensiven wohnungspolitischen Bewegungen auch außerhalb Berlins nichts anders übrig, als sich ebenfalls der Perspektive der Vergesellschaftung zu stellen: konzeptionell, strategisch und praktisch.
Dieser Problematik wollen wir uns beim Frankfurter Ratschlag anhand der folgenden (vorläufigen) Fragekomplexen annähern:
1. WAS kann und soll vergesellschaftet werden? Sollen einzelne Immobilien, sollen Immobiliengesellschaften oder sollen Geschäftsanteile enteignet werden? Wie werden die „sozialisierungsreifen“ Eigentümer von den nicht sozialisierungsreifen unterschieden? Wenn dies anhand der Anzahl der Wohnungen eines Eigentümers geschieht, welcher Begriff des Eigentums wird dann zu Grunde gelegt? Geht es um die willkürlich anpassbaren immobilienhaltenden Gesellschaften oder um die Holdings und Anteilseigner, die sich auch im Ausland befinden können?
Müssen nur Häuser, oder nicht auch Grundstücke, Verwaltungsunternehmen, Projektentwickler und Finanzdienstleister vergesellschaftet oder zumindest strikter gesellschaftlich reguliert werden? Kann es eine Wohnungsvergesellschaftung ohne Neugestaltung der Standards der Immobilienbewertung, der Immobilienfinanzierung und Ausbildungswege geben? Geht es nur um städtische Grundstücke oder nicht auch um landwirtschaftliche Flächen, die von Konzernen in großem Umfang aufgekauft werden? Kann die Vergesellschaftung des Wohnungswesens auf ein Bundesland begrenzt werden? Welche Auswirkungen hätte das auf die Wohnungsversorgung in anderen Gebieten? Welche bundes- oder europarechtlichen Bestimmungen könnten betroffen sein, wenn nur in einem Bundesland sozialisiert würde? Lässt sich die Vergesellschaftung angesichts der globalisierten Immobilienwirtschaft überhaupt auf einen Nationalstaat beschränken?
2. WOHIN soll vergesellschaftet werden? Wie soll das sozialisierte Wohnungswesen demokratisch organisiert, gesteuert, finanziert und kontrolliert werden? Sollen die vergesellschafteten Wohnungen zentral oder dezentral verwaltet und bewirtschaftet werden? Wie ist das Verhältnis zwischen Selbstverwaltung und professionellen Leistungen? Können die Immobilienkonzerne umgebaut, oder müssen sie zerschlagen werden? Wie werden die Mieten gebildet? Wer soll über den Zugang zu den Wohnungen entscheiden? Welche Finanzierungs-, Kontroll- und Weiterbildungsstrukturen benötigt das vergesellschaftete Wohnungswesen?
3.WIE kann die Überführung vom (sozialisierungsreifem) Privateigentum in die Gemeinwirtschaft gestaltet und finanziert werden? Wie kann im Falle einer Enteignung die Entschädigung so begrenzt werden, dass es nicht auf einen für die „Enteigneten“ rentablen Rückkauf hinausläuft? Welche Änderungen der Immobilienbewertung sind anzustreben, auch unabhängig von einer Enteignung? Wie kann verhindert werden, dass die Immobilienwirtschaft den Immbilien im Vorfeld einer Enteignung massiv Kapital entzieht und anderswo gewinnbringend einsetzt? Wie wird mit der Gefahr von Insolvenzen und Abwicklungen umgegangen?
4. REGULATIVE ÜBERGÄNGE: Welche politischen Maßnahmen sollten ergriffen werden, um die Sozialisierung der dazu reifen Teile des Wohnungswesens einzuleiten, zu erleichtern und zu begleiten? Welcher Regelungsbedarf ergibt sich direkt aus der Praxis der Interessenvertretung bei großen Wohnungsunternehmen und aus der Analyse ihrer Geschäftsmodelle? Inwiefern drängen diese Fragen zur Sozialisierung? Sind „Mietendeckel“ ein Schritt zur Vergesellschaftung oder machen sie sie zum Teil überflüssig? Unter welchen Bedingungen sind der kommunale Rückkauf von Immobilien oder der Aufbau gemeinwirtschaftlicher, selbstorganisierter Träger Beiträge zur Vergesellschaftung des Wohnungswesens? Welche anderen Baustellen der Wohnungs-Sozialisierung gibt es neben der Frage des Immobilieneigentums? Was muss getan werden, um nicht nur die Wohnungen großer Gesellschaften, sondern das gesamte Wohnungswesen unter gesellschaftliche Kontrolle zu bringen?
5. BASISORGANSIERUNG, BÜNDNISFRAGEN, KAMPAGNENBILDUNG: Was tun wir, solange Sozialisierung und soziale Regulation noch nicht erreicht sind? Welche Rolle spielt die Enteignungsperspektive für den alltäglichen Widerstand gegen Mieterhöhungen, „Modernisierungen“, Wohnungsverfall? Inwiefern sind die Basisorganisierung der MieterInnen und/oder die Mobilisierung progressiver Öffentlichkeiten Voraussetzungen der Vergesellsschaftung?
Welchen Betrag zur Vergesellschaftungsperspektive kann der Mieterwiderstand gegen Siedlungverkäufe, können Hausbesetzungen, gemeinschaftliche Hausprojekte und andere Formen der Wiederaneignung spielen? Wer sind die potenziellen gesellschaftlichen und politischen BündnispartnerInnen für eine Vergesellschaftungsstrategie? Wer sind ihre GegnerInnen, und wie kann mit ihnen umgegangen werden? Welche Rolle spielen die jeweiligen politischen Mehrheitsverhältnisse? Wie stehen die Kampagnenmöglichkeiten und Realiserungschancen in unterschiedlichen (Bundes)ländern? Welche praktischen Schritte können unternommen werden, um den Vergesellschaftungsdiskurs über Berlin hinaus zu verankern, zu vertiefen und zu erweitern? Wie kann die Mobilisierung zum Aktionstag am 28. März 2020 dazu genutzt werden, diese Themen zu verbreitern?
(Die Fragen werden bis zum Workshop weiter ausgearbeitet und fokussiert.)
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ABLAUF
11:30: Ankommen – Beginn: 12 Uhr
Einführung: „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ – Stand der Auseinandersetzung in Berlin
Diskussionsrunde 1: WAS kann und soll vergesellschaftet werden?
Diskussionsrunde 2: WOHIN soll vergesellschaftet werden?
Diskussionsrunde 3: WIE soll die Vergesellschaftung erreicht werden?
Zusammenfassung und Ausblick
Zu jeder Diskussionsrunde gibt es kurze Impulse, die von „ExperInnen“ aus unterschiedlichen Zusammenhängen vorbereitet werden. Darauf reagieren ModeratorInnen mit zuspitzenden oder erweiternden Fragestellungen.
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Veranstalter*innen: Kritische Immobilienaktionär*innen in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem Gesprächskreis Stadtpolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Anmeldung formlos per mail bitte an: anmeldung14122019 <at> email.de
Es gibt keine Teilnahmegebühr. Wir haben im nahegelegenen Hotel Moxy Zimmer für auswärtige Teilnehmer*innen reserviert. Bei Interesse melden Sie sich bei Karlheinz Paskuda, Tel. 0157.31574999.
Ort: Osthafenforum (Medicohaus), Lindleystr. 15, Frankfurt. Lindleystr. 15 ist direkt gegenüber Nr. 11.