9-Monats-Bericht: VONOVIA intensiviert Abschöpfung der Mieter
Trotz des gegenüber dem Vorjahr zusammengebrochenen Periodenergebnisses hat die Vonovia in den ersten neun Monaten des Jahres ihre operativen Überschüsse weiter gesteigert. Die entscheidenden Hebel waren dabei die Mietsteigerungen mittels Modernisierung und die Neuzusammensetzung des Wohnungsbestandes. Mit der Expansion der industrialisierten Wohnungsbewirtschaftung nach Schweden, dem Ausbau ihrer konzerninternen Dienstleistungen und des Neubaus signalisiert die Vonovia ihren Anlegern die Bemühung um eine innovative Erweiterung der Geschäftsfelder. Dies kann auch als Versuch einer Antwort auf sich die abzeichnenden Grenzen weiterer spekulativer Wertsteigerung der Immobilien und auf die zunehmende wohnungspolitische Regulation in Deutschland – vor allem den Berliner Mietendeckel – verstanden werden. Der Verwertungsdruck auf den Wohnungsbestand in Deutschland nimmt unterdessen weiter zu.
Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fiel das Periodenergebnis des größten deutsche Wohnungskonzerns äußerst bescheiden aus. In den ersten 9 Monaten des Jahres 2018 wurden in der Gewinn- und Verlustrechnung noch 1,4 Milliarden Euro als Ergebnis ausgewiesen. 2019 waren es nur noch 63,4 Millionen Euro. Das geringe Periodenergebnis ist auf eine massive Minderung des „immateriellen Unternehmenswertes“, der „Goodwill“ um 2,2 Milliarden Euro zurückzuführen.
„Goodwill“ entsteht, wenn bei einer Unternehmensübernahme der Kaufpreis die Summe der Vermögensgegenstände des erworbenen Unternehmens abzüglich der Schulden zum Zeitpunkt der Übernahme übersteigt. Dieser „Goodwill“ wird meist durch die Aussicht auf zukünftige Synergien und höhere Erträge gerechtfertigt. So auch bei der Vonovia.
Ob die Höhe des gebuchten „Goodwill“ zu rechtfertigen ist, wird nach internationalen Rechnungsvorschriften jährlich geprüft. Bereits Ende 2018 ergab sich daraus eine erheblicher Abschreibungsbedarf. Dieser wurde im 9-Monatsbereicht noch getoppt. Ausschlaggebend für die Abschreibung ist, dass die Ertragserwartungen für die nächsten 5 Jahre in einigen Vermietungsregionen der Vonovia nicht ausreichten, die (erneut stark gesteigerten) hypothetischen Immobilienwerte zu rechtfertigen. (Weiteres dazu ist in Arbeit.)
VONOVIA „LÄSST LUFT“ AUS IHRER BILANZIELLEN ÜBERBEWERTUNG
Die mit den zahlreichen und teuren Unternehmenserwerben der letzten Jahre verbundene Hoffnung auf ein dauerhaften Höhenflug der bilanziellen Werte und einen großen Renditesprung könnte sich damit in Luft auflösen. Wenn man so will, lässt die Vonovia Luft aus ihrer internen „Spekulationsblase“, bevor es zu unkontrollierbaren Folgen kommen kann. Denn noch kann sie Anleger auf die gewachsenen Überschüsse aus dem operativen Geschäft, der Vermietung und dem Handel von Immobilien, verweisen.
Die Vonovia ist darauf angewiesen, dass sich das fortsetzen lässt. Denn um ihre Eigenkapitalquote halbwegs zu halten, muss sie angesichts begrenzter fiktionaler Wertsteigerungspotenziale weitere günstige Umschuldungen vornehmen und mehr Aktien ausgeben. Dafür aber muss sie ihr Versprechen halten und die Dividenden der Aktien erhöhen. All das verschärft den Verwertungsdruck auf die Wohnungen noch mehr als es ohnehin schon der Fall war.
WACHSENDE OPERATIVE ÜBERSCHÜSSE
Die intensivierte Abschöpfung der Mieten ist nach wie vor die entscheidende Quelle der wachsenden operativen Überschüsse des größten börsennotierten Wohnungskonzerns in Deutschland. Die von der Vonovia selbst geschaffene Ergebnis-Kennziffer für die Überschüsse, der „Group FFO“ (Funds from Operations), stieg in den ersten neun Monaten 2019 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 11 Prozent, und das obwohl die Zahl der eigenen Wohnungen leicht abnahm. Das Geschäft mit der Verwaltung und dem Verkauf von Eigentumswohnungen, von Neubauwohnungen und von Wohnsiedlungen, die die Vonovia für sich als nicht als attraktiv genug einschätzt, trug dabei nur zu etwa 10 Prozent zu diesen Ergebnissen bei. Der Löwenanteil von rund 90 Prozent der operativen Überschüsse wird mit den eigenen Mietwohnungen erzielt, und hier im Wesentlichen in Deutschland.
Der für die Vergleichbarkeit mit anderen börsennotierten Wohnungsunternehmen und die Ermittlung der Dividendenausschüttung branchenübliche Kennwert FFO1 (Ergebnis aus dem Vermietungsgeschäft nach laufenden Steuern) kann für die ersten neun Monate auf etwa 840 Mio. Euro geschätzt werden. Das sind 12 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Bezogen auf die einzelne Wohnung am Ende des Betrachtungszeitraums entspricht das sogar einer Steigerung von 14 Prozent.
Diese Ergebnissteigerungen kamen dadurch zustande, dass die Bewirtschaftungskosten deutlich geringer stiegen als die Mieten und die anderen Einnahmequellen, die der Konzern durch seine Insichgeschäfte entwickelt. Die Aufwendungen für die Instandhaltung stiegen um 5 Prozent, die übrigen operativen Kosten für die Vermietung nur um 3 Prozent. Dagegen nahmen die Mieteinnahmen um 10 Prozent zu. Die Überschüsse aus intern verrechneten Leistungen stiegen vor Steuern um 7 Prozent, und die aus den Neubauten für die Vermietung um 14 Prozent.
Vorrangig beruhen die erhöhten Einnahmen und Renditen auf den folgenden drei Methoden und Instrumenten, die die Vonovia systematisch in mittlerweile drei Ländern einsetzt: Mietsteigerungen im Wohnungsbestand, Neuzusammensetzung des Mietwohnungsbestandes und Ausbau von angeblichen „Kostenumlagen“ zu einer „zweiten Miete“.
MIETSTEIGERUNGEN IM WOHNUNGSBESTAND
Laut Quartalsbericht konnte die Vonovia die Ist-Mieten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum „organisch“ (d.h. ohne Berücksichtigung der Effekte der Bestandsveränderungen) um 4 Prozent steigern. Die Verbraucherpreise stiegen bundesweit im gleichen Zeitraum nur um 1,2 Prozent, die Wohnungsmieten um 1,4 Prozent. Die Vonovia verfügt über ein Wohnungsportfolio, dass über die Ballungsräume der Bundesrepublik verteilt ist. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass sie sich auf einigen Gebieten mit niedrigen Mieten zurückgezogen hat, gehört sie schon aufgrund dieser Werte zu den großen Mietpreistreibern der Republik.
In ihrer Analystenpräsentation gliedert die Vonovia die einzelnen Faktoren dieser Mietsteigerung weiter auf. 1,2 Prozent der Steigerung der Durchschnittmieten werden auf erhöhte „Marktpreise“ zurückgeführt, das heißt auf Mieterhöhungen ohne Modernisierung im laufenden Mietverhältnis und auf höhere Mieten bei Wiedervermietung. Diese Quote ist im Vergleich zum 9-Monatsbericht 2018 um 0,2 Prozentpunkte zurückgegangen. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Durchsetzung von Mieterhöhungen im laufenden Mietverhältnis schwieriger wird. Dies liegt zum einen daran, dass die Vonovia schon seit längerem alle rechtlichen Mieterhöhungsmöglichkeiten vollständig ausnutzt. Bei Neuvermietungen und Modernisierungen verlangt sie Mieten, die weit über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. „Nach oben“ ist so innerhalb laufender Mietverhältnisse immer weniger Spielraum. Angesichts der hohen Mieten bei Neuabschluss eines Mietvertrages ziehen außerdem immer weniger Leute um. Dadurch verringert sich die Anzahl der Wohnungen, die die Vonovia zu wesentlich höheren Mieten neu anbieten kann.
MODERNISIERUNGEN ALS SYSTEMATISCHE MIETENTREIBER
Von weit größerer Bedeutung als die „Anpassungen“ an die von der Vonovia mitgestalteten „Marktmieten“ waren nach wie vor die Modernisierungen. Diese trugen mit 2,5 Prozentpunkten zu den gestiegenen monatlichen Ist-Mieten und zu 26 Prozent zu den Steigerungen der Mieteinnahmen insgesamt bei. Innerhalb des „organischen Mietenwachstums“ sind die Modernisierungen damit das mit Abstand wichtigste Instrument.
Ihre einnahmensteigernde Wirkung ist mehrfach: Erstens konnten für die vor der Gesetzesänderung am 1.1.2019 angekündigten Mieterhöhungen in Höhe von 11 Prozent der Baukosten auf die jährliche Miete aufgeschlagen werden. Die rechtlichen und die von der Vonovia selbst auferlegten Erhöhungsbeschränkungen seit Anfang des Jahres sind auf die 9-Monats-Ergebnisse wahrscheinlich noch nicht durchgeschlagen. Die Vonovia hat allerdings in vielen Fällen ohnehin nicht die maximalen 11 Prozent verlangt und trotzdem eine hohe Rendite eingefahren.
Der zweite Effekt ist, dass im Zuge der großen Modernisierungen viele Betroffenen wegen der hohen Kosten und der Belastungen während der Bauarbeiten fortziehen. Diese Wohnungen können dann noch einmal wesentlich teurer wiedervermietet werden. In einer Wohnsiedlung in Witten betragen die von der Vonovia nach Modernisierung verlangen Mieten 7,34 €/m² (bis zu 40 % mehr als zuvor). Bei Neuvermietung der Wohnungen verlangt die Vonovia aber bis über 8,80 €/m², ein Wert, der bis zu 45 Prozent über der ortüblichen Vergleichsmiete liegt.
In ihrer Analystenpräsentation zum 9-Monats-Bericht zeigt die Vonovia anschaulich, dass der Anteil modernisierter Wohnungen an der Gesamtzahl der Wiedervermietungen seit 2013 um 10 Prozent auf 46 Prozent zugenommen hat. Mit Modernisierungen, so die Botschaft, lassen sich nicht nur die Mieten in den bestehenden Verträgen besonders stark erhöhen. Die Modernisierung sorgt auch für die Verdrängung vieler bisheriger Mieter. Und deren Wohnungen lassen sich dann noch teurer anbieten.
Womit wir bei einem weiteren Nebeneffekt dieser Methode wären: Mit Hilfe der Modernisierungen hebt die Vonovia das gesamte Mietengefüge einer Stadt an. Denn anders als ältere Bestandsmieten, fließen die nach Modernisierung erhöhten Mieten sowie Neuabschlüsse in die Mietspiegelerhebung ein. Die Vonovia, wie auch andere Vermieter können so später unter Bezugnahme auf die von der Vonovia angetriebenen örtlichen Mieten weitere Erhöhungen auch bei Bestandsmietern durchsetzen.
Die Vonovia selbst hat in ihrer englischsprachigen Analystenpräsentation dargelegt, dass die Modernisierung weit über die unmittelbaren Folgen hinaus renditesteigernd wirkt. Die unmittelbare Rendite, die die Vonovia aufgrund der höheren Mieten nach Modernisierung (ebenso bei Neubau und Aufstockung) erzielen will, beträgt 7 Prozent der aufgewendeten Kosten. Hinzu kommen ein darüber hinaus ermöglichtes Mietenwachstum und eine Anhebung der Verkehrswerte der Immobilien um von 1 bis 1,5 Prozent. Im Ergebnis rechnet die Vonovia mit einer internen Verzinsung der Kosten von 9 bis 10 Prozent. Das ist eine stolze Rendite. Aber sie ist noch nicht komplett.
Indem die Vonovia große Teile der Modernisierungsarbeiten konzernintern vergibt und abrechnet, verdient sie an den Kosten, die die Mieterhöhungen begründen, zusätzlich mit. Zugleich ist die gesamte Rechnungslegung höchst intransparent und für die Mieter nicht zu durchschauen. Es gibt viele Hinweise darauf, dass die Vonovia versucht, diese Kosten zu manipulieren. Zum Beispiel verlangt sie Architektenhonorare, ohne einen externen Architekten beauftragt zu haben. Die Gewinne aus diesen Vorgängen werden allerdings nichts als eigentliche Mietrendite, sondern als Ertrag des Geschäftsbereiches „Value Add“ (siehe unten) dargestellt.
Offenbar sieht die Vonovia trotz der Mieterproteste und der gesetzlichen Änderungen noch lange kein Ende der Modernisierungsstrategie gekommen. In ihrer „Portfoliostruktur“ hat sie 248 Tausend ihrer 324 Tausend „strategischen“ Wohnung in Deutschland für derartige Investitionen vorgesehen.
Als dritten Faktor der Mietsteigerungen benennt die Vonovia den Neubau, woran man erkennt, dass es beim Neubau der Vonovia nicht um soziale Wohltaten geht, einen Eindruck, den Vonovia-Chef Buch gern machen möchte. Angesichts niedriger Fertigstellungszahlen trug der Neubau allerdings auch nur mit 0,3 Prozentpunkten zur Steigerung der Mieten bei. Für die Renditeerwartungen der Vonovia gelten bei Neubau übrigens die gleichen Werte wie bei der Modernisierung.
Insgesamt können diese Methoden allerdings lediglich etwa 40 Prozent der erhöhten Mieteinnahmen erklären. Der Rest der Erlössteigerungen ist auf eine sich ständig verändernde Zusammensetzung des Mietwohnungsbestandes zurückzuführen.
NEUZUSAMMENSETZUNG DER WOHNUNGSBESTANDES
Durch den Verkauf von Wohnungsbeständen, die der Vonovia ein zu geringes Renditepotential zu haben scheinen und den gleichzeitigen Zukauf von Wohnungen mit höheren Mieten und Mietensteigerungspotenzial, erhöht der Konzern die durchschnittliche Ertragskraft der Wohnungen seines Bestandes. Im Jahr 2015 betrug die Zahl der Wohnungen, die die Vonovia als „nicht-strategisch“ einstufte noch über 37 Tausend. Nach nicht einmal fünf Jahren „Portfolio-Management“ ist dieser Bestand heute auf 4242 Wohnungen zusammengeschrumpft. Mit Ist-Miete von 6,32 €/m² sind auch diese Wohnungen nicht mehr ganz billig. Während die Mieten an den österreichischen Standorten der Vonovia vergleichsweise günstig sind, liegen sie bei den Zukäufen des letzten Jahres in Schweden bei 9,15 €/m². Zwar sind darin teilweise auch Nebenkosten enthalten, dennoch ist das Mietenniveau in Schweden hoch und im Falle von Modernisierungen wie in Deutschland noch steigerungsfähig.
Die Expansion in Schweden und in anderen Ländern ist zu einer der Kernstrategien der Vonovia geworden. Dabei geht es ihr nicht nur um den schnellen spekulativen Euro, sondern erklärtermaßen um den dauerhaften Ausbau einer Plattform, die nach den gleichen industriellen Regeln wie in Deutschland gesteuert werden kann, einschließlich starker Mieterhöhungen nach Modernisierungen. Um diese Plattform für die weitere Expansion in dem einstigen Wohlfahrtstaat auszubauen, verzichtet die Vonovia in Schweden nach ihren Angaben vorübergehend auch auf die Erzielung von Beiträgen für die Dividendenausschüttung. Man kann sagen: Die deutschen Mieter finanzieren das Überstülpen des finanz-industriellen Geschäftsmodells der Vonovia auf ihre schwedischen LeidensgenossInnen.
Neben der direkten Steigerung der Mietrenditen hat das transnational ausgeweitete Portfoliomanagement auch den Vorteil der Streuung der Risiken, die sich in Deutschland aufgrund der wohnungspolitischen Entwicklung abzeichnen. In ihrer Präsentation für ihre Anleger rechnet die Vonovia vor, dass aufgrund des Berliner Mietendeckels die Mietsteigerungserwartungen für 2020 um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte gesenkt werden müssen. Aufgrund des Mangels an preiswertem Ersatzwohnraum nimmt außerdem die Umzugsrate ab, und damit können die Mieten nicht so stark erhöht werden wie bei zahlreichen Wiedervermietungen. Schließlich können auch noch geplante gesetzliche Verbesserungen der Mietspiegel und der Mangel an Arbeitskräften für zügige Renovierungen zu einer Absenkung der Mietsteigerungserwartung führen. Alles in allem erwartet die Vonovia auch für 2020 „nur“ 4 Prozent „organische“ (d.h. im jetzigen Bestand durchsetzbare) Mietsteigerungen anstatt der 5 Prozent, die angeblich ohne die regulativen Eingriffe erzielt werden könnten.
Obwohl der DAX-Konzern damit – entgegen dem Anschein, den Vonovia-Chef Buch in der deutschen Öffentlichkeit erweckt – gegen die mietrechtlichen Verschärfungen polemisiert, beruhigt er zugleich seine internationalen Anleger. Die Vonovia könne diese Veränderungen gut verkraften, da, anders als z.B. bei der Deutsche Wohnen, nur 10 Prozent ihres Wohnungsbestandes im riskanten Berlin liege, heißt es bei der Vonovia,
Eine weitere internationale Streuung ihres Grundeigentums würde die Vonovia also weniger anfällig für politische Veränderungen machen. Deshalb, weil die Anleger Wachstumsphantasien sehen wollen und weil der deutsche Wohnungsbestand zunehmend „ausoptimiert“ ist, wird mit einer weiteren Expansion ins Ausland zu rechnen sein. Auf der Beobachtungsliste der Vonovia stehen neben Schweden offiziell Frankreich und die Niederlande, – beides Länder, in denen die deutschen Manger auf Verkäufe großer Wohnungsbestände hoffen, die sich noch unter öffentlicher Kontrolle befinden.
AUSBAU DER ZWEITEN MIETE
Neben der Modernisierung und der Expansion in andere Länder betreibt die Vonovia ein dritte Strategie zur Erhöhung gewinnträchtiger Einnahmen: den Ausbau von Dienstleistungen, die im eigenen Konzern berechnet und von den Mietern als Nebenkosten, Modernisierungserhöhungen oder Gebühren für Extra-Serviceleistungen verlangt werden.
Diesen Bereich hat die Vonovia in einem eigenen Segment „Value Add“ zusammengefasst. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum wuchs der Umsatz dieses Segments um 20 Prozent auf 1,2 Mrd. Euro innerhalb der ersten neun Monate. Dieser Umsatz besteht zu einem geringeren Teil aus Dienstleistungen, die extern erbracht und abgerechnet werden, zum Beispiel für die Verwaltung der „anprivatisierten“ Eigentumswohnungsblöcke. Zu 85 Prozent handelt es sich jedoch um konzerninterne Umsätze.
Der Überschuss des „Value Add“-Bereiches über die tatsächlichen Kosten vor Zinsen und Steuern liegt für die ersten neun Monate bei knapp 100 Mio. Euro. Gemessen am Gesamtergebnis ist das ein kleiner, aber stark wachsender Beitrag. Die Vonovia betont den Einfluss auf den Aktienwert.
Laut Analystenpräsentation beruhen mehr als 60 % der Rendite aus diesem Bereich auf „Einsparungen“ bei der Vergütung von Handwerkerleistungen im Vergleich zu Marktpreisen. Dahinter verbergen sich Lohndumping, schlechte Arbeitsorganisation und Arbeitsbedingungen, vor allem aber auch ein Heer schlecht bezahlter Subunternehmer aus ganz Europa, die auch nicht immer die beste Leistung bringen. Das fällt oft schon bei kleinen Reparaturen auf. Bei komplexen Modernisierungsmaßnahmen wird es zu einem Dauerstress für die MieterInnen. Im Unterschied zu den Reparaturen müssen sie für diese „Modernisierungsleistung“ stark erhöhte Mieten bezahlen, deren Begründung sie kaum überprüfen können.
Wer in der letzten Zeit als Mieter oder Mieterverein sein Recht auf Einsichtnahme in die Kostenbelege einforderte, erhielt, wenn es überhaupt zu einer Reaktion kam, nach einiger Zeit umfangreiche Zusammenstellungen von Computerausdrucken, bei denen es sich um Rechnungen von Tochter-Unternehmen wie der „Vonovia Modernisierungs GmbH“ oder neuerdings der „Vonovia Operations GmbH“ und „Vonovia Engineering GmbH“ handeln soll. Es sind Kostenaufstellungen, die unter Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs und externen Kontrollen nach einheitlichen Schemen, aber auch flexibel je nach Bedarf, innerhalb des Konzerns angefertigt werden, um der rechtlichen Verpflichtung auf Rechnungslegung dem Anschein nach Genüge zu tun. Ob oder inwieweit diese Aufstellungen den tatsächlichen Kosten des Einkaufs und der Subunternehmen entspricht, ist völlig unklar.
Verlangt man, wie der MieterInnenverein Witten, Einsichtnahme in die Verträge, werden improvisiert zusammengestellte Unterlagen über undurchsichtige betriebsinterne Bestellvorgänge präsentiert, nicht aber die tatsächlichen Rechnungen und Verträge mit den ausführenden Firmen.
Bei dem Versuch die jährlichen Betriebskostenabrechnungen zu überprüfen, kommt es immer wieder zu dem gleichen Spiel. Es werden Scheinbelege angefertigt, nach denen zum Beispiel die Winterdienst-Firma im ganzen Stadtgebiet zur exakt der gleichen Minute tätig geworden sein soll. Auch nach Jahren der mietrechtlichen Auseinandersetzung hat sich an der Glaubwürdigkeit der Abrechnungen nichts verbessert. Im Gegenteil, es werden immer wieder neue Leistungen und neue konzernangehörige Firmen eingeführt, die den Mietern die Kosten dieser Leistungen berechnen. Hohe Anteile des Gewinns im „Value Add“-Segment beruhen auf den Gartenpflege- und Winterdienstleistungen („Vonovia Wohnumfeld GmbH“), konzerninternen Energie-Abrechnungen, Messdienstleistungen und der Bereitstellung von Kabeldiensten.
STEIGENDE BELASTUNG DER MIETER UND DER MIETEN
Unabhängig von den Zumutungen, mit denen die Vonovia-MieterInnen alltäglich konfrontiert sind, zeigt der 9-Monatsbericht in Zahlen, wie sehr die Abschöpfung der Mieten und der Mieter weiter intensiviert wird. Durch die geplante, erhöhte Dividenden-Ausschüttung ist eine Belastung der Mieten von 31 % zu erwarten. Diese quantitative Belastungsquote ist um die Gewinne aus den Verkäufen und externen Dienstleistungen bereits bereinigt. Das heißt jedoch nicht, dass die Verkäufe von Eigentumswohnungen und Siedlungen oder dass Nachverdichtungen mit teuren Wohnmodulen nicht zu Lasten der MieterInnen gingen.
Da Instandhaltungs- und Verwaltungsaufwendungen für das Vermietungsgeschäft weit geringer steigen als die Dividenden, wird das Missverhältnis zwischen der Mietenabschöpfung für die Anleger und den tatsächlichen Kosten noch größer. Der mit der Vermietung erwirtschaftete Überschuss wird dabei nicht nur als Dividenden ausgezahlt, sondern in wachsendem Umfang in mietsteigernde Maßnahmen investiert. Hierzu gehören wie in den vergangen 9 Monaten Modernisierungen, gezielte Zukäufe im Ausland, Nachverdichtungen und Neubau sowie der Ausbau von Dienstleistungen, die konzernintern abgerechnet werden.