Update: Betriebskosten bei Vonovia: Das systematische Geschäft mit der „zweiten Miete“
In einem aufsehenerregenden Urteil gab das Amtsgericht München einem Vonovia-Mieter Recht, der auf Rückerstattung der sogenannten Hauswartkosten in der Betriebskostenabrechnung geklagt hatte. (461 C 21735/17). Nach Ansicht des Gerichtes hatte die Vonovia die Kosten nicht ausreichend offengelegt. In den von der Vonovia-Tochter „Vonovia Immobilienservice GmbH“ dargelegten Beträgen seien Gewinne des Vonovia-Konzerns enthalten. Eine Umlage von Gewinnen sei in der Betriebskostenabrechnung aber nicht vorgesehen.
Nach diesem wegweisenden Urteil muss die Vonovia mit wachsenden Widerständen gegen ihre intransparenten Betriebskostenabrechnungen und die Renditeoptimierung in ihrem „Value Add“-Segment rechnen.
Der Geschäftsbericht der Vonovia 2018 weist im Konzernanhang Erlöse aus den Betriebskostenabrechnungen in Höhe von 750,1 Mio. Euro aus. Dem stehen entsprechende Matrialaufwendungen in Höhe von 702,9 Mio. Euro gegenüber. Es wurde aus den Betriebskostenabrechnungen somit ein Überschuss in Höhe von 47 Mio. Euro erzielt.
Für ein Vermietungsunternehmen ist das ungewöhnlich. Normalerweise übersteigen die Ausgaben für die Betriebskosten die Einnahmen. Denn aufgrund mietvertraglicher Bestimmungen können nicht alle Betriebskosten auf die MieterInnen umgelegt werden. Und nicht von allen MieterInnen können die Nachforderungen der jährlichen Abrechnungen eingetrieben werden. Ein Minus aus der Gegenüberstellung vom Betriebskostenerlösen und den entsprechenden Materialafwendungen tritt bei anderen Unternehmen übrigens auch dann auf, wenn eigene Hausmeister eingesetzt werden. Deren Kosten stellen zwar Personalaufwendungen dar. Da die Hausmeister aber nicht zu hundert Prozent umlagefähige Leistungen erbringen, sondern vor allem auch Verwaltungs- und Instandhaltungsaufgaben des Vermieters erfüllen, kommt es trotzdem nicht zu einem Plus.
Bei der Vonovia ist das anders. Warum, das versuchte sie nach öffentlichen Vorwürfen inzwischen in einem Tweet vom 10. Mai 2019 zu erklären:
Zunächst ist an dieser Mitteilung zu begrüßen, daß die Vonovia erstmals einen Wert zur Höhe der Personalaufwendungen in ihrem Geschäftsfeld „Betriebskosten“ mitteilt. Leider teilt sie aber nicht mit, wie hoch der Anteil von Verwaltungs- und Instandhaltungsaufwand an diesen Personalkosten ist. Unter anderem deshalb ist keineswegs sicher, dass sich in dem Betriebskostenüberschuß nicht durchaus auch Unternehmensgewinne ausdrücken. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der oben genannte Überschuss exakt einem „Gewinn“ entspricht. Ihre tatsächlichen Gewinne aus den Nebenkosten-Firmen legt die Vonovia leider nach wie vor nicht offen, weshalb wir uns immer wieder mit Schätzungen behelfen müssen.
Nehmen wir die Mitteilung der Vonovia über 44 Millionnen Euro Personalkosten für „1000 Gärtner und Objektbetreuer“ für bare Münze und gehen davon aus, dass es sich um Vollzeitstellen handelt, so ergeben sich daraus pro Stelle Personalkosten in Höhe von durchschnittlich 44.000 Euro im Jahr. Wir halten diese Größenordnung für realistisch. Diese Werte liegen aber weit unter den Kosten, die sich aus den Betriebskostenabrechnungen der Mieter ergeben.
Nach früheren Auskünften des Vonovia-Vorstandes bei Aktionärsversammlungen betreut ein Hauswart im Durchschnitt 700 Wohnungen. Pro Wohnung dürften nach den Angaben der Vonovia die Hauswartkosten also lediglich bei etwa 63 Euro im Jahr liegen. Da die Hauswarte aber zu einem erheblichen Teil nicht umlagefähige Varwaltungsaufgaben erfüllen, könnte nur ein Teil dieser Kosten, vermutlich nicht mehr als die Hälfte, in mietrechtlich zulässiger Weise auf die Mieten umgelegt werden.
Nach Mitteilungen mehrerer Mietervereine und Mieterinitiativen liegen die berechneten Hasuwartkosten aber inzwischen bei deutlich über 100 Euro pro Jahr. Sei betragen somit das Drei- bis Vierfache der von der Vonovia mitgeteilten Kosten. Gehen wir somit pro Wohnung von einer vorsichtigen Schätzung eines Überschusse der Hauswarteinnahmen über die umlagefähigen Kostenanteile von jährlich 70 Euro aus, so ergeben sich bei den gut 358.000 Wohnungen der Vonovia in Deutschland Gewinne in Höhe von 25 Mio. Euro. Selbst wenn man bei der Abrechnung von Gartenpflege-, Reinigungs- und Wartungskosten von kleineren Gewinnmargen ausgeht, sind Extra-Renditen in einer Größenordnung über 40 Mio. Euro aus den Betriebskosten nicht unwahrscheinlich.
Die harten Daten zu diesen Geschäften verbirgt die Vonovia. Und dafür hat sie wohl gute Gründe. Ihre Praxis ist mietrechtlich nicht koscher.
Seit langem macht das Schlagwort von den Betriebs- und Heizkosten als „zweiter Miete“ die Runde. Gemeint war damit bislang, dass die MieterInnen durch die objektiv anfallenden und von ihnen überprüfbaren Nebenkosten zusätzlich zum Mietzins belastet werden. Bei der Vonovia und ihren NachahmerInnen bekommt die Bezeichnung eine wortwörtliche Bedeutung: Die Betriebskosten werden neben der Grundmiete zu einer zweiten Einnahmequelle der Vermieters, zu einer weiteren Methode, das Einkommen der MieterInnen abzuschöpfen.
In größerem Umfang möglich ist dies nur, weil die Vonovia für die Erbringung umlagefähiger Kostenarten etliche spezialisierte Tochterunternehmen gegründet hat. Dazu gehören die „Vonovia Wohnumfeldservice GmbH“ für Gartenpflege, Winterdienst und Müllreduzierung, die „Deutsche Multimedia Service GmbH“ für Kabelgebühren oder die „Vonovia Immobilienservice GmbH“ für die sogenannte Objektbetreuung, die den MieterInnen als „Hauswartkosten“ in Rechnung gestellt werden.
Nach dem Mietrecht dürfen als Betriebskosten nur die tatsächlich angefallenen Kosten von den MieterInnen verlangt werden. Wenn die Leistungen von einem externen Unternehmen erbracht werden, sind dies die Beträge, die dieses Unternehmen für die erbrachte Leistung in Rechnung gestellt hat. Die Vonovia meint nun, ebenso verfahren zu können, wenn die Leistungen durch ein konzernangehöriges Unternehmen erbracht werden. Das ist die Basis des Geschäftsmodells. Und genau diese Basis wird vom Amtsgericht München in Frage gestellt.
Durch das „Insourcing“ von früher ausgelagerten Leistungen (z.B. Gartenpflege) hat die Vonovia Kosten und Umsatzsteuern eingespart. Sie glaubt, diese Einsparungen nicht an die MieterInnen weiter geben zu müssen, solange die Kosten rein nominell nicht über den marktüblichen Kosten liegen. Sie beruft sich dabei sogar auf den „Betriebskostenspiegel“ des Deutschen Mieterbundes, eine nicht repräsentative Übersicht über typische Kosten, die dem Mieterbund gemeldet werden. Bei dieser Übersicht kann nicht geprüft werden, was sich hinter den einzelnen Positionen – zum Beispiel den Aufgaben eines „Hauswartes“ – verbirgt. Der „Betriebskostenspiegel“ hat nur eine sehr begrenze Aussagekraft, aber die Vonovia scheint ihn umso lieber als Steuerungsinstrument für den Ansatz ihrer Kostenumlage zu verwenden. Motto: Was kümmert es uns, welche Leistung für einen bestimmten Preis erbracht wird, solange wir uns an die Werte des DMB halten. Dass dieser Missbrauch einer bloßen Orientierungshilfe mietrechtlich für den Beleg der Kostenumlage ausreichen könnte, ist ein fundamentaler – aber sehr renditeträchtiger – Irrtum der Vonovia.
Durch die Schöpfung immer neuer umlagefähiger „Dienstleistungen“ (von der „Objektbetreuung“ über die „Baumwartung“ bis zum „Müllmanagement“) lässt sich das Geschäftsmodell der willkürlichen Abwälzung von Gewinnmargen auf die MieterInnen immer weiter ausbauen.
Längst hat die Vonovia in ihren Geschäftsberichten für diese und andere nicht unmittelbar den Grundmieten und Immobilienverkäufen zuzuordnenden Umsätze eine eigene „Segmentberichterstattung“ geschaffen. Diese hieß bis 2016 „Extension“ und wurde 2017 in „Value Add“ umgetauft. Im Jahr 2018 brachte „Value Add“ dem Konzern ein operatives Ergebnis von 121,2 Mio. Euro ein (vor Steuern und Zinsen). Davon entfällt ein Teil auf die Gewinne aus der Verwaltung von Eigentumswohnungen, ein anderer, größerer, Teil entstammt der Abrechnung von Eigenleistungen bei Modernisierungsmaßnahmen. Wie der Überschuss aus den Betriebskostenabrechnungen zeigt, beruht möglicher Weise bis zu einem Drittel der Value Add-Gewinne auf Betriebskosten.
Wie hoch diese Gewinne genau und im Einzelnen sind, lässt sich den Geschäftsberichten der Vonovia nicht entnehmen. Die Ergebnisse der Servicetöchter werden nicht veröffentlicht. Und würden sie veröffentlich, wäre nicht sicher, wie unentgeltliche Leistungen innerhalb des Konzernverbundes berücksichtigt würden. Schon gegenüber den AktionärInnen besteht also keine volle Transparenz. Für die MieterInnen sind die Abrechnungen erst Recht völlig undurchsichtig.
Das beginnt damit, dass in den Betriebskostenabrechnungen, die die Mieter jährlich erhalten, nicht deutlich erklärt wird, welche Aufgaben die „Hauswarte“ für sie erfüllen oder was sich genau hinter zum Beipsiel unter einem Begriff wie „Gehölzpflege“ verbirgt. Die MieterInnen können zu diesen Punkten Einsicht in die Rechnungsunterlagen verlangen, um die tatsächlichen Kosten zu überprüfen. Wie uns MieterInnen aus vielen Städten berichtet haben, warten sie oft sehr lange auf die Gewährung dieses Einsichtsrechtes. Es gibt Beispiele dafür, dass die Belege gerichtlich eingeklagt werden müssen. Werden sie dann endlich vorgelegt, haben sie nur einen begrenzten Aussagewert.
Die gilt vor allem für die vorgelegten Rechnungen von Vonovia-Tochterunternehmen. Diese weisen nur Endbeträge aus, die nicht durch entstandene externe Kosten hinterlegt sind. Bei den Wohnumfeldkosten zum Beispiel sind oft Subauftragnehmer mit der eigentlichen Durchführung der Pflegearbeiten beauftragt. Es kommt auch vor, dass diese Subauftragnehmer wiederum Sub-Subaufragnehmer beschäftigen. Die Leute und Firmen, die die eigentliche Arbeit machen, erhalten vielleicht nur sehr geringe Vergütungen. Aber jeder Zwischenvertragspartner hat seine eigenen Verwaltungskosten und Gewinne, die als Kosten „nach oben“ weitergegeben werden. All das aber erkennt der Mieter gar nicht. Als Rechnung erhält er nur einen standardmäßigen Computerausdruck der Vonovia-Tochter.
Im Falle der Hauswartabrechnungen sind uns Subunternehmen nicht bekannt. Wir wissen jedoch, dass die bei der Immobilienservice GmbH beschäftigen Hauswarte nicht nach dem Tarif der Immobilienwirtschaft bezahlt werden. Wieviel sie genau verdienen und was ihr Einsatz die Vonovia kostet, ist den Rechnungen nicht zu entnehmen. Wer als Mieter unter Zurückbehaltung von Zahlungen hartnäckig die Einsichtnahme fordert, erhält von der Vonovia eventuell weitere Unterlagen. Dazu können sogenannte Leistungsbeschreibungen gehören, in denen die Aufgaben der Hauswarte aufgelistet sind. Auch „Geschäftsbesorgungsverträge“ werden gelegentlich vorgelegt. In ihnen ist zwar vereinbart, dass die Vonovia-Vermietungsgesellschaft die Kosten der Vonovia-Servicegesellschaft erstattet bekommt, aber nicht, wie hoch diese Erstattung ist oder wie sie sich errechnet.
Zu den zum Teil massenhaft übersandten Unterlagen zählen auch Computerausdrucke mit langen Listen, in denen die Erledigung der einzelnen Aufgaben – zum Bespiel die Prüfung der Schalter für Flur- und Kellerlicht – minutiös mit Datumsangaben bestätigt wird. Was man auch in diesen „detaillierten Tätigkeitsnachweisen“ vergeblich sucht, sind Angaben zu den Kosten und Preisen.
Dem Amtsgericht München hat diese Form der Rechnungslegung nicht ausgereicht. Seiner Meinung nach hat der Mieter im Falle der 100%igen Konzerntochter Vonovia Immobilien Service GmbH ein Recht darauf, die tatsächlich angefallenen Personalkosten zu erfahren. Dies gelte umso mehr, als die von den Mietern verlangten Beträge auch Gewinne des Vermietungskonzerns enthalten würden, wie die Vonovia selbst eingeräumt hatte. Da der Vermieter aus den Betriebskosten grundsätzlich keine Gewinne generieren dürfe, müsse der Mieter die Höhe der umlagefähigen Kosten durch Einsichtnahme in den Arbeitsvertrag der Immobilienservice GmbH mit dem Hausmeister überprüfen können.
Würde dieses Urteil in Zukunft auf alle „Eigenbelege“ der Vonovia SE angewendet, dürfte das Geschäftsmodell „Value Add“ wesentlich weniger attraktiv sein. Wahrscheinlich wird sich die Vonovia deshalb auch weiter dagegen sträuben, die realen Kosten offen zu legen. Damit aber riskiert sie dauerhafte Konflikte mit den MieterInnen und ihren Organisationen.
Für die MieterInnen und ihre Organisationen wird es Zeit, nicht länger nur auf jahrelange Gerichtsprozesse zu hoffen. Die Kosten in den „Hauswartabrechnungen“ der Vonovia sind offenbar zumindest zum Teil nur vorgetäuscht. Was spricht dagegen, eine Kampagne dafür zu organisieren, das die MieterInnen gegen diese Forderungen bundesweit massenhaft Einwendungen einlegen und sie dann zurückbehalten, bis die Vonovia ihr Geschäftsmodell „Bereicherung durch Nebenkosten“ völlig aufgibt?
siehe auch:
Vonovia: Münchener Hausmeister-Urteil – Folgen für Witten und andere Standorte?