LEG-Halbjahresbericht:  Leistung runter – Mieten hoch!

Nach ihrem am 10. August 2023 vorgestellten Halbjahresbericht fuhr die LEG Immobilien SE einen bilanziellen Periodenverlust von gut 1 Milliarde Euro ein. Wie schon bei der Vonovia ist das vor allem auf erhebliche Abschreibungen an den Buchwerten der überbewerteten Immobilien zurückzuführen. Zugleich konnte auch die LEG die Mieten dank des Wohnungsmangels weiter steigern. Die Mietennahmen reichen aber auf Dauer nicht aus, die Folgekosten der in den nächsten Jahren auslaufenden günstigen Anleihen zu decken. Verkäufen, die zusätzlich Liquidität bringen sollten, konnten kaum realisiert werden. Die einzige positiv erscheinende Kennziffer ist neben den Mieterhöhungen der zum neuen Maß aller Dinge erklärte AFFO. Es handelt sich um eine kosmetische Operation, die eigentlich leidiglich ausdrückt, dass die LEG ihre Investitionen in Modernisierungen radikal gekürzt hat.

Wie die LEG in ihrem Bericht darlegt, hat sie die Miete auf vergleichbarer Flächen gegenüber dem zweiten Quartal 2022 um 4,3 Prozent erhöht. Den größten Beitrag zu diesem „Erfolg“ leisteten mit 2,1 Prozent „Anpassungen an die Mietspiegel“. In einer Reihe von Städten wurden neue Mietsiegel nach den neuen gesetzlichen Regelungen aufgestellt. Diese spiegeln die in den letzten 6 Jahren erhöhten Mieten wider, sind also ein ohnehin verlässliche Erhöhungsinstrumente. Wie man aus Städten wie Dortmund und Witten weiß, verlangt die LEG aber außerdem regelmäßig Zustimmungen zu Mieterhöhungen, die über den rechtlich durchsetzbaren Werten liegen. Ein Großteil der Mieter stimmt diesen Mieterhöhungsverlangen aus Unkenntnis, Furcht oder Bequemlichkeit zu. Gegen diese massenhafte, potenziell rechtswidrige Bereicherungsstrategie sind Kommunen und den Mieterorganisationen weitgehend die Hände gebunden.

PROFITIEREN VON WOHNUNGSNOT UND BINDUNGSENDE

Mieterhöhungen nach Modernisierungen und Wiedervermietungen haben bei der LEG zu 1,4 % des Mietenwachstum beigetragen. Das ist ein hoher Wert, wenn man bedenkt, dass nur ein kleiner – und im Vergleich zum Vorjahr reduzierter Teil – der Wohnungen modernisiert wurde. Die Baumaßnahmen, die nach Beobachtung von Mieterorganisationen oft einen hohen versteckten Instandhaltungsanteil aufweisen, führen zu Mietensprüngen von bis zu 3 Euro pro Quadratmeter.

Nach wie vor ist der Anteil der LEG-Wohnungen, die noch unter die Sozialbindung fallen mit 19 % im Vergleich zu anderen Wohnungsanbietern hoch. Für 2023 wurde bei diesen Wohnungen eine alle drei Jahre erfolgende gesetzliche Anpassung der Instandhaltungs- und Verwaltungspauschalen an die Inflationsrate fällig. Die Erhöhung der gesetzlichen Kostenmieten bei den Sozialwohnungen lag mit 5,4 % deshalb über dem LEG-Durchschnitt. Auf den gesamten Wohnungsbestand der LEG bezogen führte diese Regelung zu 0,8 % Einnahmeplus. Der Effekt lässt sich in den nächsten zwei Jahren nicht wiederholen.

Sehr relevant ist aber die hohe Zahl an Wohnungen, die in den nächsten Jahren aus den Bindungen fallen werden. Nach Wegfall der Preisbindungen können Mietspiegelmieten verlangt werden. Diese liegen meist wesentlich höher als bisher.  Im ehemaligen Sozialwohnungsbestand kommt es zu Mietsprüngen bis zur Kappungsgrenze. Oft sind es 20 Prozent. Bis 2028 sollen 20 Tausend LEG-Wohnungen aus der Mietpreisbindung fallen. Der LEG rechnet in diesem Bereich mit einem Mietsteigerungspotenzial von 46 Prozent innerhalb der nächsten fünf Jahre.

Gleichzeitig konnte der Leerstand weiter reduziert werden. Ein weiterer Effekt der allgemeinen Wohnungsnot, der den Wohnungskonzernen in die Hände spielt und ihr Geschäft stabilisiert.

EXTRAGEWINNE DURCH KONZERNINTERNE ABRECHNUNGEN UND ENERGIEGESCHÄFTE

Einsparungen und Gewinne erzielte die LEG auch durch den Ausbau von Dienstleistungen durch Tochterunternehmen. Hierzu zählt unter anderem die Handwerkerorganisation „Technik Service Plus“, die Kleinreparaturen übernehmen soll. In den Nebenkostenabrechnungen der Mieter tauchen oft Kabelgebühren auf, die von der Konzerntochter „Wohn Service Plus“. Die tatschlichen Bezugskosten des Signals werden von der LEG bei Belegprüfungen nicht offengelegt. Mieterorganisationen vermuten, dass der Wohnungskonzern den Mietern deutlich höhe Kosten berechnet als ihm durch den Partner Vodafone entstehen.

Zu undurchsichtigen Rechnungen kommt es auch bei der Energie- und Wärmeversorgung. Hier berechnet die LEG über ihre 100-prozentige Tochter „Energie Service Plus“ den Mietern Heizkosten, ohne die tatsächlichen konzernexternen Beschaffungs-, Wartungs- oder Messkosten offen zu legen. In etlichen Fällen hat die LEG die Zentralheizungen auf dieses Tochterunternehmen übertragen und verlangt von den Mietern jetzt die Zahlung von Wärme, die in den ausgelagerten Heizungen erzeugt wird. Wie die Preise ermittelt werden, ist den Mietern unklar, solange die LEG die entsprechenden Wärmeversorgungsverträge nicht vorlegt. Im Einzugsbereich des MieterInnenvereins Witten kann unter anderem aus diesen Gründen seit Jahren keine LEG-Nebenkostenabrechnung vollständig geprüft werden.

Besonderen Zuwachs erhält Energie-Geschäft inzwischen auch aus der LEG-eigenen Stromproduktion. Hier hob der Vorstand hervor, dass die Besteuerung geringer ausfiel als befürchtet (Stichwort: Übergewinnsteuer). Kurz: die LEG profitierte auch von der Energiekrise.

KENNZIFFER-WECHSEL: VORWÄRTS IN DEN SUBSTANZ-VERZEHR

Trotz der Miet- und Nebenkostenerhöhungen: Gemessen an der lange ausschlaggebenden Kennziffer FFO I („Funds from Operations“ ohne Berücksichtigung des Verkaufsergebnisse) entwickelte sich auch das operative Ergebnis im ersten Halbjahr 2023 negativ, Im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr ging der FFO I um 7.9 % zurück. Hier wirkten sich gestiegene Zinsbelastungen, Instandhaltungs- und Verwaltungskosten aus.

Relevant ist das vor allem deshalb, weil der FFO I bislang als Grundlage für die Ermittlung der Höhe der Dividendenausschüttung herangezogen wurde. Die Ausschüttung, so das Versprechen des Vorstandes an die Aktionäre, sollten jährlich 70 Prozent des FFO I betragen. Seit Beginn dieses Geschäftsjahrs betrachtet die LEG jedoch den „AFFO“ („adjusted Funds from Operations“) als den zukünftigen Maßstab für die Höhe der Dividende. Das Versprechen lautet nun: Es sollen möglichst 100% dieses AFFO ausgeschüttet werden. Der liegt zwar wesentlich niedriger als der FFO I, aber im Unterschied zu diesem ist er im Vergleich zum 1. Halbjahr 2022 nicht gesunken, sondern um fast 50 Prozent gestiegen. Sieht das für die AktionärInnen nach Licht am Ende des Tunnels aus?   Ob es im nächsten Jahr tatsächlich wieder zu einer Dividendenzahlung kommt, dazu wollte sich der LEG-Vorstand noch nicht festlegen.

Was aber ist der Unterschied zwischen FFO I und AFFO? Bei der Ermittlung des branchentypischen FFO I bleiben die Ausgaben für Investitionen, vor allem in Modernisierungen, außen vor. Als Wertsteigerungen erhöhen Modernisierungen den Kapitalstock. Sie haben mit dem jährlichen Überschuss also nichts direkt zu tun, auch wenn sie langfristig – über höhere Mieteinnahmen und geringere Instandhaltungskosten – die Ertragskraft des Unternehmens steigern. Der nun von der LEG zum Maß aller Dinge erhobene AFFO drückt dagegen das operative Ergebnis NACH Abzug der Investitionen aus.  Priorität hat nun nicht mehr um die langfristige Ertragskraft, sondern die kurzfristige Liquidität. Darin drückt sich ein starker Wandel des Geschäftsmodells aus: In den Zeiten des „billigen Geldes“ sollte den Investoren und Analysten der rechnerischen „Nachweis“ erbracht werden, dass die hohe Ausschüttung nicht die langfristige Substanz des Unternehmens belaste. Nach den Zinserhöhungen steht nun im Mittelpunkt des Interesses, ob die Ausschüttung die kurzfristige Zahlungsfähigkeit gefährdet.

Da beim AFFO die Modernisierungsinvestitionen abgezogen werden, fällt er – und damit die pontenzielle Dividende – umso höher aus, je weniger investiert wird. Im ersten Halbjahr 2023 fielen die Investitionen im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 bereits von 162 Millionen Euro auf 107 Millionen Euro, und der AFFO stieg im Ergebnis von 79 auf 119 Millionen Euro. Und so soll es weitergehen. Bis Ende des Jahres soll der AFFO auf mehr als 165 Millionen Euro gesteigert werden.

Mit dem AFFO als Leitziffer hat das LEG-Management sich und den Aktionären mehr denn je zum Ziel gesetzt, möglichst wenig in den Erhalt ihrer Wertbasis zu investieren und trotzdem steigende Mieten zu kassieren.

BILANZVERLUSTE DURCH IMMOBILIEN-ABWERTUNG

Mit seiner Kennziffer-Politik kann der Vorstand allerdings nicht kaschieren, dass die LEG bilanziell rote Zahlen schreibt.  Das vom Wechsel zu AFFO unbeeinflusste bilanzielle Periodenergebnis ist stark negativ. Der Verlust im ersten Halbjahr von beträgt ca. 1 Mrd. Euro. Dies erklärt sich durch die Abwertung der als Finanzinvestitionen gehaltenen Immobilien, also im Wesentlichen der Wohnungsbestände. Diese wurden um rund 1,5 Mrd. Euro bzw. 7,4 Prozent abgewertet. Zuzüglich der Ankäufe, Zugänge und der Modernisierungsinvestitionen ist das Immobilienportfolio damit zum 30.06.2023 insgesamt 1,28 Mrd. EUR weniger wert als zum 31.12.2022. Mit 9 Prozent fiel die Abwertung in den Gebieten mit hohen Mieten besonders stark aus. Darin zeigt sich, dass die Wohnungen in diesen Großstädten zuvor spekulativ überbewertet waren.

Das LEG Portfolio ist derweil noch mit einem Mietenmultiplikator von 21,6 bewertet. Das heißt, der Immobilienwert wird auf einen Wert geschätzt, der dem 21,6-Fache der Jahres-Mieteinnahmen entspricht (Mieteinnahmen x 21,6 = Immobilienwert). In den sogenannten Wachstumsmärkten, also den teureren Gebieten, soll dieser Faktor26,1 betragen. Bezogen auf den Quadratmeter ergibt das im Gesamtportfolio einen Wert von 1.666 EUR/qm. Ende 2022 waren noch 1789 EUR/qm bilanziert.

Die Abwertungen setzen das Unternehmen unter Druck. Das bilanzielle Eigenkapital vermindert sich dadurch.  Es weist in Summe einen Rückgang von ca. 1 Mrd. auf. Die Finanzverbindlichkeiten hingegen konnten nur geringfügig vermindert werden, sodass in Folge auch der Verschuldungsgrad steigt. Konkret von bereits hohen 43,9 % auf nun 46,6 %.

Bei Analysten und Investorenwird wird deshalb die Frage heiß diskutiert, ob die Wohnungsbestände weiter abgewertet werden müssen. Die LEG zieht sich bislang rhetorisch darauf zurück, dass derzeit keine Prognosen möglich seien. Es gebe aktuell zu wenig Transaktionen, um Schlussfolgerungen für die tatsächlichem Marktwerte ziehen zu können. Allerdings beruht die Festsetzung der bilanziellen Immobilienwerte bei LEG & Co. im Wesentlichen nicht auf real erzielten Marktpreisen, sondern auf einer Berechnung der abgezinsten Zahlungsströme, die in den nächsten zehn Jahren erwartet werden. Bei diesem „Discounted Cash Flow“-Verfahren (DCF) wir das Ergebnis stark von der Höhe der eingesetzten Zinssätze beeinflusst. Bislang wurden diese von den Bewertungsfirmen nur zaghaft an die realen Zinsentwicklung angepasst. Es ist zweifelhaft, dass diese Zurückhaltung noch lange beibehalten werden kann. Weitere Abwertungen sind daher nicht unwahrscheinlich. Der Verweis der LEG auf die „Märkte“ soll von diesem Szenario ablenken.

RATLOSES SCHULDEN-MANAGEMENT

Die LEG   wird wie die anderen börsennotierten Wohnungskonzerne auch durch die veränderte Zins- und Kapitalmarktlage unter Druck gesetzt. In den nächsten 5 Jahren werden über 4 Mrd. Euro an Verbindlichkeiten fällig. Würden für die Ablösung neue Schulden aufgenommen, wäre das mit erheblich höheren Zinsen als bisher verbunden. Aus dem Vermietungsgeschäft allein können Schulden aber nicht abgezahlt werden. Sollen also neue Schulden vermieden und dennoch Verbindlichkeiten beglichen werden, müssen Wohnungen verkauft werden. Erfolge hat die LEG hierbei bislang nicht zu verzeichnen. Die Unsicherheit bei der Preisentwicklung von Wohnimmobilien erschwert nach Bekunden des Konzerns die Verkaufsverhandlungen. Im ersten Halbjahr 2023 konnte die LEG lediglich 666 Wohnungen verkaufen, bekam aber durch Zukäufe und Neubau auch 516 hinzu.

Positiv stellt die LEG heraus, dass alle Verbindlichkeiten für 2023 bereits beglichen oder abgedeckt seien. Auch die Deckung einer im Jahr 2024 fällige Anleihe im Volumen von 500 Mio. EUR sei bereits abgesichert. Dafür allerdings sollen ein erheblicher Teil der liquiden Mittel eingesetzt sowie Bankkredite zu erheblich höheren Zinsen (Durchschnitt 4,19 %) aufgenommen werden. Eine Dauerlösung ist so etwas nicht.  Ohne zusätzliche Liquiditätsspritzen aus Verkäufen könnte dieses Konzept schnell zu einem Ende kommen.

ABSTIEG AN DEN KATZENTISCH

Was also kann die LEG noch tun? Die Verkaufsbemühungen werden weitergehen, beteuerte der Vorstand in der Analystenpräsentation. Man arbeite sehr hart, werde aber „nicht hektisch werden“.

Wie lange diese Ruhe beibehalten werden kann, wird sich zeigen. Unterdessen werden Investitionen im Neubau oder im Bereich der Modernisierung eingestampft. Letzteres führt jedoch in Konflikte mit den Zielen zur energetischen Ertüchtigung des Gebäudebestandes. Diese werden nicht nur moralisch und politisch gefordert. Sie spielen längst auch eine Rolle bei den Investitionsentscheidungen großer Kapital- oder Kreditgeber. Wer als Großunternehmen zu wenig in den Klimaschutz investiert wird, droht vom „grünen Kapitalismus“ abgehängt zu werden und muss sich möglichweise mit einem Platz am Katzentisch der Resteverwerter begnügen.

Außer Kostensenkungen und Desinvestitionen bei gleichzeitigen Erhöhungen der Mieten und Preise kann die LEG allenfalls etwas Nachhaltigkeits-Kosmetik betreiben. In der Wohnungsnot muss das für das kurzfristige Geschäft kein Widerspruch sein.  Die große Nachfrage, der hohe Marktanteil auf einigen lokalen Märkten und das Auslaufen der Sozialbindungen ermöglichen der LEG über Jahre starke Mietsteigerungen ohne Gegenleistung. Der Hoffnungsschimmer für den Konzern: Das sorgt nicht nur für mehr Cash, es wirkt auch den fallenden Immobilienbewertungen entgegen.

Für die betroffenen MieterInnen aber sieht es nach einem langen Schrecken ohne ein absehbares Ende aus.