Vonovia Halbjahresbericht 23:  Jahrelange Schuldenstory erwartet. Weitere Joint Ventures geplant.

|update| Im 1. Halbjahr 2023 musste die Vonovia von ihrem Immobilienwert 6,4 Mrd. Euro abschreiben. Zugleich setzt sich der Abwärtstrend in allen operativen Bereichen außer dem Vermietungsgeschäft fort. Der Vorstand hofft auf steigende Mieterhöhungen und konzentriert sich auf den Abbau von Schulden. Um das nötige Geld aufzutreiben, sollen für weitere Wohnungsbestände finanzielle Co-Investoren gefunden werden. Nachdem dieses Modell bereits in Baden-Württemberg umgesetzt wurde, soll als nächstes ein Anteil an einem großen norddeutschen Immobilienportfolio an Co-Investoren gehen. Auch Schweden steht weiterhin auf der Verkaufsliste. Hauptsorge des Managements ist es, dass sein Handlungsspielraum so klein werden könnte, dass es mit den Verkaufspreisen herunter gehen muss.

„Wir wissen, dass unsere Verschuldung für die gegebene Situation zu hoch ist“, sagte Vonovia-Chef Rolf Buch bei der Präsentation der am 4.8.2023 veröffentlichten Halbjahresergebnisse vor Analysten. Man sei zwar in keiner Notsituation. „Aber wir haben zugesagt, den notwendigen Cash für den Abbau von Schulden zu liefern, und wir werden liefern.“ Es gehe um einen längerfristigen Prozess. Es werde Jahre dauern, bis aus der „Schuldenstory“ wieder eine „Eigenkapitalstory“ werde.

Jahrelange Schuldenstory

Bis 2030 laufen bei der Vonovia jährlich Kredite im Umfang von 3 Mrd. Euro bis 5 Mrd. Euro aus. Meist sind es unbesicherte Unternehmensanleihen, die vor wenigen Jahren noch sehr günstig waren und das schnelle Wachstum der Vonovia ermöglichten. Abgezahlt wurden diese Kredite, wie es sich für einen Finanzinvestor gehört, nicht. Wenn jetzt in einem ganz anderen Zinsumfeld neu finanziert werden muss, kann das teuer werden. Schon aus diesem Grund versucht die Vonovia, frühzeitig auf noch halbwegs günstige, besicherte Kredite umzustellen, vor allem aber: die Schuldenquote zu senken. Und weil dafür die Einnahmen aus den Mieten trotz Steigerung nicht reichen (vor allem dann nicht, wenn man auch noch eine Dividende zahlen will), müssen zusätzliche Milliarden aus Verkäufen eingenommen werden.

Aber die Kreditablösung ist nicht das einzige Problem: Seit fast 17 Jahren haben Vonovia und ihre Vorgänger den zugeschriebenen Zeitwert ihres Immobilienbestand jährlich angehoben. Grundlage waren stets Rechnungen über zukünftig zu erwartende Zahlungsströme, – bei Annahme von niedrigen Zinsen und einer geringen Inflation. Noch 2021 lag der (fiktive) bilanzielle „Gewinn“ bei 7,4 Mrd. Euro.  Zum 30. Juni 2023 musste die Vonovia nun eine Verringerung der Wertzuschreibungen für die Wohnungen im Umfang von 6,4 Mrd. Euro hinnehmen. In der Berechnung mussten höhere Zinsen und Inflationsraten berücksichtigt werden. Innerhalb eines Jahres sank die Wertzuschreibung pro Wohnung auf diese Weise um 6,8 %. In der Bilanz kam es zu einem Gesamtverlust vom 4,1 Mrd. Euro. Dieser Verlust wird vom bilanziellen Eigenkapital gedeckt. Dadurch steigt aber die bíianzielle Verschuldungsrate, – und das ist schlecht für die Kreditwürdigkeit. Ein Grund mehr für eine schnelle Entschuldung.

Operative Flopps

Aber woher nehmen? Das operative Gesamtergebnis „Group FFO“sank gegenüber dem Vorjahreszeitraum um satte 9,5 %. Dies ist auch deshalb von besonderer Relevanz, da aus diesem Wert die Höhe der Dividendenausschüttung ermittelt wird. Pro Aktie ging der Group FFO um 11,9 % zurück. Ob der Vorstand seine Zusagen halten kann, die in diesem Jahr stark gekappte Ausschüttung wieder auf das frühere Niveau zu bringen, ist sehr fraglich. Versprechen will der Vorstand nichts. Fragende Analysten wurden auf das kommende Jahr verwiesen. Um überhaupt Dividenden auszahlen zu können, muss es auf jeden Fall mehr Einnahmen geben als einem üblichen Geschäftsverlauf ohne umfangreiche Verkäufe entsprechen würde.

Der Rückgang des operativen Ergebnisses hat mehrere Gründe. Wie geplant stark zurückgegangen ist das operative Ergebnis (EBITDA) des Neubausegments (Development): minus 72 %. Aber auch die Ergebnisse aus den Einzelverkäufen, die laut der Krisenstrategie der Konzernführung eigentlich Gewinne und Liquidität bringen sollten, sind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als die Hälfte gesunken. Tief im Keller befinden sich auch die Zahlen der Verkäufe aus dem Segment, das die Vonovia abstoßen will (Non Core). Der Grund dafür: Es ließen uns lassen sich unter den jetzigen Bedingungen kaum Käufer finden, die der Vonovia die Immobilien mit ihren hohen Buchwerten plus Gewinnaufschlag abkaufen wollen. Dem geringen Interesse ließe sich, so Buch, mit einem Verkauf größerer Immobilienbündel zu günstigen Konditionen abhelfen. Aber das würde auf Buchwertverluste hinauslaufen und die jetzige Wertzuschreibung weiter unter Druck setzen.

Fast um 50 % eingebrochen ist auch der frühere Hoffnungsträger der konzernintern abgerechneten Leistungen („Value Add“). Dies liegt an gestiegenen Kosten für Baumaterial und Subunternehmen, sowie an den stark rückläufigen Modernisierungen, die meist über konzerninterne Rechnungen abgewickelt werden. Die Modernisierungs-Investitionen gingen um fast 65 % zurück. Auch die Ausgaben für die Instandhaltung sind gesunken.

Aber die Mieten

Lediglich im Kerngeschäft Vermietung konnte ein EBITDA-Plus (7,8 %) erzielt werden. Dies ist zurückzuführen auf überdurchschnittliche Mietsteigerungen und Kostensenkungen in der Bewirtschaftung.

Mit 3,5 % liegt das Mietenwachstum über dem Vorjahreswert. Davon sind 1,2 % auf Modernisierungen und 1,5 % auf gestiegene Marktmieten zurückzuführen. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet die Vonovia Mietsteigerungen um insgesamt 3,6 bis 3,9 %.

In der weiteren Zukunft rechnet Buch mit deutlich schneller steigenden Mieten. Vor allem in Berlin werde der nächste Mietspiegel, der diesmal nicht „manipuliert“ werden könne, große Mieterhöhungspotenziale offenlegen. Der Megatrend der nicht gedeckten Nachfrage treibe die Mieten über etliche Jahre weiter an. Kostensenkungen erwartet die Vonovia durch weiter Synergien nach der Vollintegration der Deutsche Wohnen und durch gesenkte Instandhaltungsausgaben.

Langfristig werde man hohe Einsparungen durch die Digitalisierung der Wohnungsverwaltung einsparen, erklärte Buch. Schon jetzt würden die Mieter mittels „Mieter-App“ der Verwaltung viel Arbeit abnehmen. Die Einführung von künstlicher Intelligenz in diesem Bereich werde zu einer „Revolution“ führen, glaubt Buch.

Aber auch jetzt schon, betont die Vonovia, habe man trotz der negativen Ergebnisse alles im Griff.  Vor allem verlaufe die Ablösung der auslaufenden Unternehmensanleihen durch neue Schuldverschreibungen nach Plan. Und bei den Großdeals kündigen sich Plan-Übererfüllungen an.

Neues Joint Venture in Norddeutschland geplant

Nach dem Joint Venture mit dem Private-Equity-Investor Apollo beim Südewo-Portfolio in Baden-Württemberg habe man ein zweites derartiges Geschäft im Visier. Es handle sich um eine größeren Wohnungsbestand in Norddeutschland. Es soll sich um eine ähnliche Größenordnung wie bei dem ebenfalls in den Joint Venture-Blick genommenen Bestand in Schweden handeln, hieß es bei der Analystenpräsentation.

Der  Immobilienbestand der Vonovia in Schweden wird auf 6,2 Mrd. Euro taxiert. Der schwedische Deal liegt wegen nationaler Immobiliendebakel aber auf Eis.  Wenn erst einmal die dortigen Probleme gelöst sind, kann sich Buch auch vorstellen, das ganze schwedische Portfolio zu veräußern, – so denn der Preis stimmt.  Die Geschäfte in Schweden liefen sehr gut, betonte Buch. Noch besser in Österreich. Da müsse ein Käufer schon tief in die eigenen Taschen greifen.

Solche Statements bezwecken all diejenigen abzuschrecken, die jetzt auf günstige Häppchen vom Vonovia-Kuchen und Verhandlungsbereitschaft bei den Preisen hoffen. Gemeint sind damit ausdrücklich auch kaufinteressierte Kommunen. „Aus unserem Kernportfolio verkaufen wir nicht unter Verkehrswert“, machte Buch mehrfach deutlich.

Ohne die über Joint Ventures organisierten Kapitalspritzen aus der globalen Finanzindustrie wird sich der größte europäische Vermietungskonzern diese Arroganz vielleicht nicht mehr lange leisten können. Auf Mieter und Kommunen kommen neue Herausforderungen zu.

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