Vonovia SE: mietentreibend, intransparent, überbewertet
Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen nimmt Stellung zum heute veröffentlichten Geschäftsbericht 2019 der Vonovia
Aufgrund von Korrekturen des überschätzten Unternehmenswertes ist das Periodenergebnis der Vonovia gegenüber den Vorjahren eingebrochen. Es betrug für 2019 nur noch 1,2 Mrd. Euro nach Steuern. 2018 waren es noch 2,4 Mrd. Euro. Umso mehr bemühte sich der Konzern in seiner heutigen Pressekonferenz um eine positive Selbstdarstellung. Die Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen kritisiert dieses Vorgehen als „Vernebelungstaktik“. Die Vonovia agiere nach wie vor mietentreibend und intransparent. Das Unternehmen sei stark überbewertet.
„Wir stehen zu unserer gesellschaftlichen Verantwortung. Und das können wir mit harten Zahlen belegen“, sagte Buch heute. „Wir betreiben eine moderate Mietenpolitik, wir treiben die Mieten nicht an.“
Leider halten seine „harten Zahlen“ aber schon einer oberflächlichen Prüfung nicht stand. Nur um 0,8 % seien Anpassungen der Bestandmieten erfolgt, sagte Buch. Was er dabei verschweigt: Die Vonovia hat schlichtweg ihre Mieterhöhungsspielräume in den Mietspiegel weitgehend ausgeschöpft. Die wesentlichen Mietsteigerungen in ihrem Wohnungsbestand erzielte die Vonovia nach wie vor mit Hilfe von Wohnungs- und Gebäudemodernisierungen. Diese trugen 2019 mit 2,3 % zu der Gesamtsteigerung von 3,9 % bei. Wenn das weniger ist als 2018, als die Mietsteigerungen pro Quadratmeter im Wohnungsbestand noch um 4,4 % gewachsen waren, liegt dies vor allem daran, dass der Konzern Ende 2018 auf Mieterproteste und Gesetzesänderungen reagieren und auf neue Großmodernisierungen verzichten musste.
VONOVIA BLEIBT EIN MIETENTREIBER
Mittlerweile werden vor allem Wohnungen nach Leerzug saniert, was dann von Herrn Buch auch „altersgerecht“ genannt wird. Bei der Wiedervermietung dieser Wohnungen verlangt die Vonovia Mieten, die zum Beispiel in Witten bis über 40 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Solche Steigerungen sind aber nicht überall durchsetzbar. Die höchsten Mietsprünge in Deutschland erfolgten im südlichen Ruhrgebiet und Westfalen. Mindestens hier kann man die Vonovia eindeutig als Mietentreiber bezeichnen.
Auch der mittelfristige Blick verrät die Rolle der Vonovia bei der Mietenentwicklung: Seit 2015, nach der Aufnahme der Vonovia in den DAX und der Übernahme der Gagfah, belaufen sich die organischen Mietsteigerungen des Konzerns auf 16,8 %. Im gleichen Zeitraum stiegen Verbraucherpreisindex und Nettokaltmieten im Bundesschnitt um 5,3 % bzw. 5,6 %. Der Konzern selbst stellt zudem heraus, dass seine Mietenentwicklung oberhalb der Marktmietenentwicklung liegt. (s. S. 77 ff. des Geschäftsberichts 2019).
DIVIDENDE BELASTET MIETE MIT 37 CENT JE EURO
Schief ist auch Buchs Argumentation, die Mieter würden nicht durch die geplante, wieder einmal erhöhte, Dividendenausschüttung belastet und es werde viel mehr investiert als an Überschuss erwirtschaftet werde. Nach den Werten für 2019 betragen die geplanten Dividendenausschüttungen gemäß Berechnungen der Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen 37 % der Mieteinnahmen des Jahres. Dass die Vonovia aus ihren Einnahmen und Kapitalaufstockungen auch investiert, bestreiten wir damit natürlich nicht. Sie investiert in Modernisierungen, Neubauten und die Expansion ihrer Geschäfte, auf dass die Gewinne weiter steigen. Bezahlen müssen auch das die Mieterinnen und Mieter, zum Beispiel mit Mieten weit über dem Durchschnitt oder mit intransparenten Nebenkostenabrechnungen, die in immer größerem Umfang aus Rechnungen bestehen, die der Konzern an sich selbst ausstellt.
WACHSENDE INSICHGESCHÄFTE: MIETER-APP STATT TRANSPARENZ
Der Umsatz der Insichgeschäfte (Value Add intern) ist gegenüber 2018 um 18 % auf 1,5 Mrd. € gestiegen. Den Überschuss aus diesem Geschäft schätzen wir auf knapp 130 Mio. €, das sind 7 % des Gesamt-EBITDA (operatives Ergebnis). Der Anteil ist nicht riesig, aber die Vonovia setzt auf Ausbau. So will Buch die Wohnviertel „energieautark“ machen und den mit Sonnenlicht erzeugten Strom direkt an die Mieter verkaufen.
Im Moment werden die Zusatzeinnahmen aber vor allem dadurch erzielt, dass konzernangehörige Serviceunternehmen Rechnungen über eigene oder fremde Leistungen an konzernangehörige Immobilienfirmen schreiben, die dann als Begründung für Modernisierungs-, Gartenpflege- oder Hauswartkosten herhalten. Anstatt dieses Versteckspiel endlich aufzugeben und die tatsächlichen Kosten offenzulegen, kündigte Buch heute eine „Mieter-App“ an, mit der die Mieter auf die „Belege“ zugreifen können, die ihnen der Konzern fabriziert. Auf dass sie nicht in Versuchung geraten, hinter die Fassaden zu blicken!
PERIODENERGEBNIS BRICHT EIN
2018 wurden in der Gewinn- und Verlustrechnung noch 2,4 Milliarden Euro als Ergebnis ausgewiesen, 2019 sind es nur noch 1,3 Milliarden Euro. Das geringere Periodenergebnis ist hauptsächlich auf eine massive Minderung des „immateriellen Unternehmenswertes“, des „Goodwill“ um 2,1 Milliarden Euro zurückzuführen.
„Goodwill“ entsteht, wenn bei einer Unternehmensübernahme der Kaufpreis die Summe der Vermögensgegenstände des erworbenen Unternehmens abzüglich der Schulden zum Zeitpunkt der Übernahme übersteigt. Dieser „Goodwill“ wird meist durch die Aussicht auf zukünftige Synergien und höhere Erträge gerechtfertigt. So auch bei der Vonovia.
Ob die Höhe des gebuchten „Goodwill“ zu rechtfertigen ist, wird nach internationalen Rechnungsvorschriften mindestens jährlich geprüft. Dazu wird je untersuchter „zahlungsmittelgenerierender Einheit“ geprüft, ob ihr Buchwert einschließlich des zugeordneten Goodwills dem höherem Betrag von Nutzungswert oder beizulegenden Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten entspricht. Ist dieser Wert niedriger als der Buchwert, muss abgeschrieben werden.
Obwohl dieses Verfahren durchaus Ermessensspielräume bietet und im Einzelnen nicht ausreichend transparent ist – der Vorstand beruft sich zur Bestimmung wichtiger Rechnungsgrößen auf Werte einer peer-group vergleichbarer Unternehmen, die aber anonym bleibt -, war schon in den Vorjahren klar, dass der Goodwill längerfristig keinen Bestand haben würde – es war nur die Frage, wie lange es dauert.
Dies liegt vor allem daran, dass der der Nutzwertermittlung zugrunde gelegte Cashflow nicht so stark steigt wie der Buchwert der Investment Properties. Auch die Wirtschaftsprüfer verweisen im aktuellen Geschäftsbericht wie schon in den Vorjahren in Zusammenhang mit dem Goodwill auf die “Yield Compression“ und den dadurch schwindenden „headroom“, also auf die Tatsache, dass besonders in den „dynamischen Regionen“ die Immobilienpreise noch stärker steigen als die Mieten.
IMAGEPFLEGE DURCH STRECKUNG DER ABSCHREIBUNG?
Wenn es einen Plan des Vorstands gab, die Abschreibung des Goodwills über einen längeren Zeitraum zu verteilen, so dass es nicht besonders auffällt, so hat er nur zum Teil geklappt. Bereits für den Zwischenabschluss des 3. Quartals mussten einige Register gezogen werden, um ein negatives Periodenergebnis zu vermeiden. Durch eine vorgezogene Neubewertung eines Teils des Immobilienbestands in Höhe von 2,3 Mrd. € konnten die Abschreibungen auf den Goodwill von 2,1 Mrd. € aufgefangen werden.
Im Jahresabschluss konnte das Bewertungsergebnis der Immobilien nun auf insgesamt 4,1 Milliarden € erhöht und damit trotz der hohen Abschreibungen auf den Goodwill ein positives Jahresergebnis von 1,3 Milliarden € gezeigt werden. Der in der Bilanz für 2019 ausgewiesene Goodwill beträgt trotz der Abschreibung immer noch 1,5 Milliarden €, da in 2019 durch den Kauf der Hembla in Schweden ein Zugang von 0,7 Milliarden € erfolgte, der nun ebenfalls auf die künftige Abschreibung wartet.
WIE LANGE NOCH KÖNNEN BEWERTUNGSGEWINNE AUS DEM NICHTS GENERIERT WERDEN?
Das könnte einem alles recht egal sein, weil es ja auf den ersten Blick nur die Anteilseigner betrifft. Es hat aber direkte Auswirkungen auf die Mieter/innen. Die hohe Bedeutung der Bewertungsgewinne für das Jahresergebnis der Vonovia macht eine permanente Steigerung der Mieterträge notwendig, denn perspektivisch kann nicht darauf gebaut werden, dass durch „Yield Compression“ immer weiter Bewertungsgewinne quasi aus dem Nichts generiert werden können.Dies umso mehr, als sich natürlich die Frage aufdrängt, ob in Bezug auf den Nutzungswert der zahlungsmittelgenerierenden Einheiten nicht auch über den Goodwill hinaus bei der Bewertung der Immobilien Abschreibungsbedarf besteht. Allein eine Verringerung der den Wertberechnungen zugrunde gelegten Marktmietensteigerungen um 0,2% würde zum Beispiel beim Berliner Wohnungsbestand der Vonovia zu einem Abschreibungsbedarf von 9,2 % führen. Ein Faktum, dass Buch trotz zum Teil auch bei der Vonovia zu erwartenden Mietensenkungen durch den „Mietdendeckel“ lieber verschweigt. Falls die Zinssätze um 0,25% steigen würden, kämen weitere 9,2 % hinzu.
All das verschärft den Verwertungsdruck auf die Wohnungen noch mehr als es ohnehin schon der Fall war. Und wenn der Spielraum für Mietensteigerungen in Berlin enger wird, so muss im Ruhrgebiet oder Schweden umso mehr Gas gegeben werden. Der Mietendeckel bleibt eine Berliner Spezialität, verspricht die Vonovia ihren Anlegern in der heutigen Analystenpräsentation. Der Konzern sorgt selbst mit dafür, dass er das nicht so bleiben kann.
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Weitere Informationen und Statements bei der Pressekonferenz am Montag, 9.3.2010, 13 Uhr, direkt in der Nähe der Vonovia-Zentrale, Wasserstraße in Bochum.
VONOVIA, LEG & Co.: ALTERNATIVE BILANZ-PRESSEKONFERENZ VOR ORT
http://mieteraktionärin.de/vonovia-leg-co-alternative-bilanz-pressekonferenz-vor-ort/